Das Private ist nicht tabu. Ungeniert darf man sich in Wohn-Communities im Internet von den Einrichtungslösungen anderer inspirieren lassen

Geben Sie es ruhig zu: Sie schauen auch so gern in die Häuser und Wohnungen anderer Leute. Für viele ist dies ein Grund, sich auf die dunkleren Jahreszeiten zu freuen. Da ist so manche Wohnetage in helles oder warmes Licht getaucht zu sehen. Allerdings braucht man im Zeitalter des Internets nicht mehr auf Herbst und Winter zu warten, um diesem leicht voyeuristischen Bedürfnis nachzugeben. Es gibt längst eine Vielzahl an Webseiten, auf denen man sogar freundlich eingeladen wird, sich in den vier Wänden anderer Menschen umzuschauen.

Sie heißen solebich.de , mynesto.de, zimmerschau.de oder wiewohnstdu.de, um nur die beliebtesten zu nennen. Auf diesen Seiten kann man sich ungeniert von den Wohnideen oder Einrichtungslösungen anderer Leute inspirieren lassen. Stolz wird dort beispielsweise anhand eines hochgeladenen Bildes gezeigt, wie ein altes Regal mit bunten Prilblumen aufgefrischt wurde. Prompt reagiert die Wohn-Community mit Kommentaren wie "ein tolles positives Bild" oder bezüglich der im Regal zu findenden Steinsammlung: "Ich kann den schönen Kieseln auch nie widerstehen."

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Auf einer anderen Seite wiederum wird die WC-Box mit selbst gegossenem Betonwaschbecken von der "Honigschnute" mit einem "Oh wow. Kann man dich engagieren?" kommentiert. Und "Goldmarie" lässt sich in einem Blog ausgiebig über eine ihrer neuesten Marotten aus: nur zum Spaß an Wohnungsbesichtigungen teilzunehmen, um sich dann von dem "Wohngedankenkarussell" entführen zu lassen.

Schon diese kurzen Dialoge zeigen: Auch wenn man sich duzt, den wahren Namen gibt man in der virtuellen Welt der Wohn-Community meist nicht preis. Stattdessen gibt sich jeder einen Decknamen, auch um sich so eine gewisse Anonymität zu wahren. Gleichwohl ist es gerade dieser freundschaftliche Umgangston, der zumindest den Anschein erweckt, man öffne seine Privatsphäre für Freunde. Auch die Betreiber wissen das. Wer beispielsweise die Webseite wiewohnstdu.de anklickt, ein Ableger des Magazins "Schöner Wohnen", bekommt zur Eröffnung gleich die "neuen Nachbarn" vorgestellt.

"Voyeurismus ist aber bei unseren Mitgliedern nicht der ausschlaggebende Impuls", sagt Nicole Maalouf, Gründerin von solebichde. "Diese Menschen sind an raffinierten Einrichtungslösungen interessiert und haben Spaß daran, sich mit anderen über Farben, Stoffe, Tapeten und anderes auszutauschen."

Rückblickend ist die Geschäftsführerin und Innenarchitektin aber selbst erstaunt über die große Resonanz auf ihre Seite: "Als mein Mann Daniel und ich 2007 während unseres Studiums in Paris auf die Idee kamen, eine solche Wohn-Community zu gründen, wussten wir nicht, ob überhaupt jemand Wohnungsbilder hochladen würde." Mittlerweile seien es mehr als 16 000 Bilder und gut eine Million Seitenaufrufe im Monat. "Wir wachsen kontinuierlich", sagt Maalouf. Zugleich stecke in der Betreuung der Seite viel Herzblut. "Nicht nur zwischen uns und den einzelnen Community-Mitgliedern sind mittlerweile Freundschaften entstanden, auch unter den Mitgliedern selbst." Längst treffe man sich daher auch außerhalb der virtuellen Welt des Internets. "Das nächste Treffen findet Ende Oktober in Hamburg statt", sagt Maalouf, die mittlerweile mit ihrem Mann von München aus die Seite betreut. Anfangs hatte die Innenarchitektin noch die Idee, eine Online-Einrichtungsberatung anzubieten. "Das musste ich aufgeben", sagt Nicole Maalouf.

Stattdessen hat sie mit dem Einverständnis der Mitglieder im vergangenen Jahr das Buch "So leb ich. Wohne, wie es dir gefällt" (29,80 Euro) herausgebracht. "Es gewährt Einblicke in die Wohnungen von mehr als 100 Mitgliedern und bietet Hilfe bei der Suche nach dem eigenen Wohnstil", sagt die findige Geschäftsfrau. Ein zweites Buch sei bereits in Planung.

Auch Markus Seim, Vorstand von zimmerschau.de, plant, die virtuelle Welt seiner gut 50 000 Mitglieder großen Wohn-Community zu verlassen. "Wir wollen künftig mit bewegten Bildern arbeiten", sagt Seim. Gedacht sei an eine Serie mit dem Titel "Hausbesuche", in der Mitglieder anderen ihre Einrichtungslösungen vor laufender Kamera vorstellten. Wem das nicht reicht, dem bieten alle Seiten zahlreiche Artikel zu neuen Einrichtungstrends und Möbellinien an. Darüber hinaus ist die gezielte Suche nach Einrichtungslösungen der Mitglieder für einzelne Wohnbereiche (Flur, Bad etc.) oder sogar nach Attributen (Bodenbeläge, Farben oder Stilrichtungen) möglich. Abrufbar sind zudem Tauschbörsen oder, wie bei mynesto.de, die Suche nach einzelnen Gegenständen. Das kann auch ein gebrauchtes Garagentor sein.

Mynesto.de-Geschäftsführer Raimar von Wienskowski will künftig mit einem zusätzlichen Service von Hamburg aus punkten: "Nutzer können auf der Seite Ausschreibungen vornehmen lassen. Dienstleistern bieten wir wiederum die Chance, sich hier vorzustellen." Dafür müssten sie sich im Gegenzug den Bewertungen der Nutzer stellen. Auch drei Hamburgerinnen - Helga und Marita Watterkotte sowie Insa Leis - wollen das Leben ihrer Mitmenschen leichter machen. Seit Juni geben die Hanseatinnen Tipps zu Home & Garden oder Essen & Trinken auf der Seite www.allabouteasyliving.com . Ihr Motto: "Geheimtipps, die wir sonst nur mit unserer besten Freundin teilen."