Vor drei Jahren entschied sich ein Architektenpaar fürs Wohnen im Denkmal: Sie kauften ein Reihenhaus in Bahrenfeld

"Wir sind große Fans der Arbeiten des Architekten Karl Schneider. Er war in den 1920er-Jahren einer der deutschen Pioniere im Bereich des neuen Bauens. Deshalb waren wir sehr froh, als wir den Zuschlag für das Haus bekommen haben", sagt Ulrich Garbe. Zusammen mit seiner Frau Irina Panaitescu, beide sind Architekten, hat Garbe vor drei Jahren das Reihenhaus an der Lyserstraße in Hamburg Bahrenfeld erworben. Es gehört zu einem Ensemble von zwölf spiegelbildlich erbauten Reihenhäusern, die von der Stadt als Denkmal erkannt wurden.

1928 wurden die Häuser im Stil der "neuen Sachlichkeit" gebaut. Sämtliche Einheiten haben ein Flachdach. Die mit dunkelroten Klinkern im Oldenburger Format vermauerte Fassade ist durch rhythmisch horizontal verlaufende Fensterbänder gegliedert.

Auch wenn die einzelnen Räume in dem 125 Quadratmeter großen Haus eher klein geschnitten sind: Ein Gefühl von Enge kommt nicht auf. Auf drei Geschossen verteilen sich die einzelnen Räume. Im Erdgeschoss befindet sich das Büro. "Ich wollte schon immer unter einem Dach wohnen und arbeiten. Das spart viel wertvolle Lebenszeit. Und ich bin immer in der Nähe meiner Familie", sagt Garbe. Das Ehepaar hat nur im Obergeschoss die Grundrisse verändert und die Decke um ein paar Zentimeter angehoben. Hier befindet sich heute ein moderner, offener Küchen- und Wohnbereich mit Zugang zur großzügigen Dachterrasse.

"Als wir das Haus gekauft haben, war es eine echte Bruchbude. Wir haben alles daran gesetzt, es auf einen modernen technischen Stand zu bringen und dabei die ursprünglichen Stilelemente wie Türdrücker oder Bodenbeläge zu erhalten oder neu aufleben zu lassen. Dabei gab es viele Rätsel zu lösen und Spuren aufzudecken", erzählt Irina Panaitescu. Für eine sogenannte Befunduntersuchung wurde der Restaurator Marko Götz beauftragt. Er erfasste alle relevanten Bereiche an Wand-, Decken- und Holzausstattungsoberflächen und führte zahlreiche Materialuntersuchungen durch. Dafür mussten in fast allen Räumen dicke Farb-, Tapeten- und Teppichschichten abgelöst werden. Viele Schätze kamen dabei ans Licht: dunkelgrauer Terrazzo im Bad und in den Fluren, schöne Holzdielenböden und Wände in den Originalfarben, die Karl Schneider in einem für seine Zeit einzigartigen Farbkonzept für jedes Geschoss bestimmt hat.

Irina Panaitescu und Ulrich Garbe haben jetzt einen langen Sanierungsweg hinter sich. Das Ergebnis kann sich sehen lassen, auch wenn noch viele Dinge zu tun sind. Die Räume des Reihenhauses erstrahlen heute im neuen Glanz - und in den wiederbelebten Farben von Karl Schneider: Siena natur im Erdgeschoss, Englischrot an Türen und Treppenwange und Azurit, ein helles Blau, im Wohnbereich. Originale wie Lichtschalter, Türdrücker und Leuchten, die gänzlich fehlten, hat das Paar mit viel Liebe zum Detail nach und nach ersetzt. "Viele Dinge haben wir nach langer Suche im Internet ausfindig gemacht", verrät die Hausherrin.

In einem von der Stadt erkannten Denkmal zu wohnen, macht die beiden Besitzer des Reihenhauses in Bahrenfeld stolz und glücklich zugleich. "Obwohl unser Haus eigentlich klein ist, empfinden wir es doch als großzügig und vor allem schön hell. Es ist schade, dass heute so wenige von Karl Schneiders Arbeiten in Hamburg erhalten sind", sagt Garbe, der sich mit seinem Büro auf Altbausanierung, Bauinstandsetzung und Denkmalpflege spezialisiert hat. Auch seine Frau, Expertin für Visualisierungen, und Tochter Lou fühlen sich in dem Haus sichtlich wohl: "Wir haben hier eine nette Nachbarschaft, einen kleinen Garten, und die Lage ist perfekt."

Karl Schneider, der nach Berufsverbot unter den Nationalsozialisten in die USA emigrierte und 1945 in Chicago mit 53 Jahren verstarb, wäre mit dem Ergebnis der Sanierungsarbeiten bestimmt sehr glücklich gewesen. Der Wegbereiter der Moderne arbeitete nach dem Krieg zunächst für den Architekten Fritz Höger in Hamburg. 1921 machte er sich zusammen mit Partnern selbstständig. Das Büro realisierte schon wenig später Landhäuser, Kulturbauten sowie Wohn- und Industrieanlagen. Großes Ansehen erlangte Schneider 1923 mit dem Bau der Villa Michaelsen in Blankenese, die sich durch kubistische Stilelemente auszeichnete. 1925 wurde sie sogar bei der Bauhaus-Ausstellung von Walter Gropius in Weimar vorgestellt.

Nachdem Schneider 1926 mit dem ersten Preis im Wettbewerb um die Jarrestadt in Winterhude ausgezeichnet wurde, ging seine Karriere für eine Weile steil bergauf. Zu seinen Bauherren zählten nicht nur private Auftraggeber, sondern auch viele Wohnungsbaugenossenschaften. 1933 erteilten ihm die Nationalsozialisten dann ein Bauverbot. Vier Jahre später folgte Schneider seiner jüdischen Lebensgefährtin nach Chicago, wo er lange Jahre als Designer tätig war. Bauentwürfe von ihm wurden aber nie wieder umgesetzt.