In Norderstedt wird energieautarkes Wohnen mit einem Elektromobil möglich. Bis März entstehen drei Musterhäuser

Die Heizkosten steigen, der Strom wird teurer, und auch der Benzinpreis kennt nur eine Richtung, nämlich nach oben. Wussten Sie, dass 40 Prozent der weltweit verbrauchten Energie in die Haushalte fließt? Was würde man dafür geben, dieser Spirale zu entkommen. In Norderstedt macht der findige Unternehmer und Elektroauto-Pionier Sirri Karabag jetzt einen großen Schritt in Richtung energieautarkes und CO2-neutrales Wohnen und Autofahren, indem er beides miteinander kombiniert.

Vor wenigen Tagen hat das Norderstedter Baudezernat das Konzept der Karabag GmbH bestätigt und genehmigt, wonach drei Häuser im Ortsteil Harksheide entstehen können, die nahezu komplett über eine hauseigene Fotovoltaik-Anlage und ein vor Ort befindliches Blockkraftwerk (BHKW) mit Energie versorgt werden. Der Clou: Ein im Hauspreis enthaltenes Elektroauto übernimmt die Funktion des Energiespeichers. In wenigen Wochen erfolgt die Grundsteinlegung für die architektonisch ansprechenden Musterhäuser, die dem Niedrigenergiestandard folgen.

Die Idee macht Sinn, denn die Generierung von Ökostrom hat bislang einen Haken: Man kann die Stromerzeugung nicht dem Bedarf anpassen. Wind und Sonne lassen sich nicht mal eben an- und abschalten. Bislang wird die überschüssige Energie ins Netz eingespeist. Abends müssen Hausbesitzer dann wieder Strom aus dem Netz zurückkaufen. "Unser Konzept sieht vor, nicht benötigte Energie in der Batterie des Elektroautos zu speichern und bei Bedarf wieder ins Haus zurückzuführen", sagt Karabag. Dazu eigne sich die hochmoderne Lithium-Polymer-Batterie eines Elektroautos sehr gut. Sollte das Elektrofahrzeug unterwegs sein, übernimmt eine konventionelle Batterie im Haus die Zwischenspeicherung.

Das Konzept geht auch rechnerisch auf. "Derzeit liegt die Einspeisevergütung bei 28,74 Cent pro Kilowattstunde (kWh). Für selbst verbrauchten Strom zahlt der Staat im Rahmen der Selbstverbrauchervergütung einen Zuschuss von 16,74 Ct/kWh. Addiert man dazu den eingesparten Strompreis von 24 Ct/kWh pro Kilowattstunde liegt man 12 Ct/kWh über der Einspeisevergütung." Karabag betont, dass das Konzept auch ohne Unterstützung der Energieeinsparverordnung EnEV aufgeht: "Ab einem Benzinpreis von 1,80 Euro erreichen wir den Break-Even-Punkt auch ohne Subventionen. Und auf dieses Preisniveau müssen wir uns in den nächsten Jahren sicherlich einstellen."

Ein Vier-Personen-Haushalt verbraucht pro Jahr 5500 bis 6000 kWh oder 15 kWh täglich. Die Fotovoltaik, die im Haus verbaut wird, liefert rund 3000 kWh im Jahr. Die andere Hälfte soll CO2-neutral über ein mit Biogas betriebenes Blockkraftwerk bereitgestellt werden. Den Überschuss speichert das Auto. Die Batterie des zum Haus gehörenden Elektroautos fasst rund 11 kWh. "Das reicht für etwa 100 Kilometer Fahrleistung", sagt Karabag. Will man am Morgen das Auto nutzen, muss man allerdings nicht mit einem leeren Akku rechnen. "Der maximale Bedarf an Zusatzstrom aus dem Fahrzeugakku liegt bei etwa zehn Prozent der Batterieleistung. Es bleibt also noch eine Fahrtstrecke von 80 Kilometer, um den morgendlichen Arbeitsweg zu bewältigen", so der Elektroauto-Pionier. Da die Mehrzahl aller Autofahrten sich im Bereich von bis zu 100 Kilometer bewege, reiche die Akkuleistung aus. Das Laden des vollständig leeren Akkus brauche etwa sechs Stunden, sei aber selten nötig. Es reiche eine normale Steckdose.

Eine Verzahnung von Elektromobilität und energieautarkem Wohnen sei also sinnvoll, zumal statistisch gesehen sieben von zehn Autos zurzeit ungenutzt herumstehen. "Mit Elektromotor könnten diese als mobile Energiespeicher diesen", sagt Karabag. Die Bewohner machten sich so unabhängig von großen Stromversorgern und erzeugten ihren Energiebedarf größtenteils selbst. Zudem sei das Konzept wegen der eingesparten Energiekosten gegenüber konventionellen Bauten kostenneutral und langfristig günstiger.

Rund 18 Monate arbeitete die Karabag GmbH mit dem Erschließungsträger Schilling-Immobilien an dem Konzept. Nun beginnen die Bauarbeiten für die ersten drei Musterhäuser, deren Fertigstellung für März geplant ist. Bereits im kommenden Jahr sollen in Norderstedt ganze Siedlungen nach diesem Muster entstehen. Karabag und Schilling liefern dann gemeinsam mit einem Partner aus der Bauindustrie Kompletthäuser inklusive Elektrofahrzeug an die neuen Bewohner aus.

"Norderstedt geht mit der Verabschiedung des Bebauungsplanes und der damit verbundenen Bestätigung des Konzeptes vom energieautarken Wohnen einen konsequenten und mutigen Schritt für ökologisch nachhaltige Lebens- und Wohnqualität", sagt Thomas Bosse, Baudezernent der Stadt Norderstedt. Ein Schritt, dem hoffentlich noch viele weitere folgen werden.