Fachleute bewerten die Burg Henneberg in Poppenbüttel als historisches Kuriosum. Jetzt steht sie zum Verkauf

Haben wir nicht alle zu irgendeinem Zeitpunkt in unserer Kindheit davon geträumt, einmal Ritter oder Burgfräulein zu sein? Viele mögen diesen Traum längst ad acta gelegt haben, für einige von uns könnte er jedoch jetzt wahr werden. Denn Hamburgs einzige Burg, die Burg Henneberg, sucht nach neuen Besitzern.

Fast schon märchenhaft thront sie da auf ihrem Hügel, ganz nahe der Poppenbütteler Schleuse. Trotzdem kann man davon ausgehen, dass selbst die vielen Wassersportler, die unweit der Burg ihre Kanus zu Wasser lassen, nichts von ihrer Existenz ahnen. Ebenso die Besucher, die es in dem nahe gelegenen Restaurant dabei belassen, dem Treiben am Schleusensee zuzuschauen. Zu sehr ist die Immobilie mit ihren aufstrebenden Zinnen und Türmchen von rankendem Efeu und hohem, altem Baumbestand umgeben.

Vielleicht wüssten mehr Hamburger von ihrer Existenz, hätte diese Burg jemals kriegerischen Anfeindungen standhalten müssen. Doch dies war nie der Fall. Stattdessen muss man sie wohl als bloße Staffage bezeichnen in einem Park, der sich an englische Landschaftsgärten anlehnen sollte. Auftraggeber war damals, 1884, der Gutsbesitzer Albert Henneberg. Nachdem er sich von der Bewirtschaftung des 400 Hektar großen Guts Poppenbütteler Hof auf den Marienhof zurückgezogen hatte, ließ er die Burg als gotische Ruine auf einem Teil des Geländes errichten - mit Rissen und anderen Alterungsspuren in der Edelputzfassade, so als ob die Befestigung aus grauer Vorzeit stamme.

Wie Frank Pieter Hesse, Amtsleiter des Denkmalschutzamtes Hamburg, in einem Artikel der Fachzeitschrift "Burgen und Schlösser" (1989) ausführte, stand kurz die Überlegung an, statt der Burg einen chinesischen Teepavillon oder ein Schweizerhaus zu errichten - auch dies waren seinerzeit beliebte Bauten in Landschaftsgärten. Doch letztlich wollte sich der Gutsherr dann doch nicht die Chance entgehen lassen, mit dem Bau im Maßstab von 1:4 eine verkleinerte Ausgabe der thüringischen Burg der Grafen von Henneberg bei Meiningen im hohen Norden zu bauen.

So ziert noch heute das Wappen der Familie Henneberg den Hauptturm. Und bis 1907 wurde im "Rittersaal" der Immobilie das Familienarchiv ausgestellt - ebenso wie Gemälde der Angehörigen, eine wertvolle Münzsammlung und eine Reihe von Hamburgensien. Dies alles führt dazu, dass Hesse die Burg in dem besagten Artikel als "historisches Kuriosum" bezeichnet und als "Spielerei, in der sich das Selbstdarstellungsbedürfnis eines zu Wohlstand gekommenen Gutsbesitzers artikulierte". Dieser Einschätzung folgend erhob das Denkmalschutzamt die Burg 1991 zum Kulturdenkmal mit ortsgeschichtlicher Bedeutung.

Damit war der drohende Abriss der Ruine abgewendet. Zumal sich kurz vorher mit dem Burgenkenner und -liebhaber Herbert Hillebrand ein privater Investor gefunden hatte, der die Renovierung der Immobilie in Angriff nahm. Mit ihm kommt - endlich - auch ein Burgfräulein ins Spiel, denn der Unternehmer vermachte die Immobilie seiner Tochter Jeanette. In enger Abstimmung mit dem Hamburger Denkmalschutzamt plante er schließlich die Sanierung.

In deren Folge erhielt der Rittersaal - er ist nur 23 m² groß - ein gläsernes Dach und Fenster, sodass auch der Raum unterhalb der Galerie erhellt wird. Die "Kammer" (7 m²) wiederum wurde unter Verwendung von hochwertigem Marmor zu einem Vollbad mit Whirlpool ausgebaut. Die schmale Wendeltreppe indessen, die früher noch bis zur Spitze des elf Meter hohen Turms führte, wurde verkürzt, sodass sie jetzt nur noch den Zugang auf eine von insgesamt drei Terrassen - zwei davon mit Südausrichtung - ermöglicht.

Wer dem Wasser nah sein will, muss sich auf den Teil des 3137 m² großen Grundstückes begeben, der an den privaten Anlegesteg grenzt. Von hier aus kann man nicht nur auf den Schleusensee blicken, sondern auch ein Boot zu Wasser lassen und angeln gehen. Noch ein wenig verwunschener geht es zu am Fuße der Burg, wo ein Springbrunnen zum Verweilen einlädt, umgeben von niedrigen Buchsbaumhecken. Einen Rosenbogen muss man durchschreiten, um zur Befestigung zu gelangen.

"Da sich die Wohnfläche im Gebäude selbst nur auf 43 Quadratmeter bemisst, gibt es kein Dauerwohnrecht", sagt Makler Carsten Gillmann von 10° Ost Immobilien. Wer dies wünsche, könnte die Immobilie aber inklusive einer luxuriös ausgestatteten Eigentumswohnung in einer Entfernung von etwa 200 Meter Luftlinie erwerben. Für die Burg selbst verlange der jetzige Besitzer, ein Hamburger Rechtsanwalt, einen Preis von 585 000 Euro.

Die große Resonanz auf das Kaufangebot erstaunt Gillmann nicht. "Schließlich handelt es sich um eine Ausnahmeimmobilie in einer Toplage von Hamburg." Zudem ließen sich sowohl Anschaffungs- als auch eventuelle Sanierungskosten steuerlich gut absetzen. "Interessiert sind vor allem Hamburger, und von denen wiederum viele Geschäftsleute, die sich vorstellen können, an diesem idyllischen Platz Kunden und Gäste zu bewirten oder zeitweilig unterzubringen", sagt Gillmann. Ein Weinhändler habe sich schon ausgemalt, wie er auf dem Gelände Weinverkostungen inszeniere. Wer dabei ins Schwelgen komme, könne ja von Rittern und Burgfräulein träumen.

Wem das nicht reicht - zurzeit steht in Lietzow auf Rügen ein Märchenschloss zum Verkauf. Für 2,3 Millionen Euro. Aber das ist wieder eine ganz andere Geschichte ...