Beim Bau von Fachwerkhäusern werden bewährte und moderne Techniken gekonnt miteinander verbunden.

Auf den ersten Blick glaubt man, vor einem alten, sehr gut gepflegten, frisch mit Ziegeln neu eingedeckten Fachwerkhaus zu stehen. Doch dann sieht man die geschnitzte Inschrift auf dem Balken über dem Eingang. Zu lesen sind die Namen des Besitzerehepaares und die Zahl "Anno 2010". Und damit wird klar, dass damit nicht das Jahr eines Umbaus, sondern das Baujahr des Hauses gemeint ist. Auch in unserer modernen Zeit werden traditionelle Fachwerkhäuser errichtet.

Ihre Konstruktion unterscheidet sich nicht von der, wie sie von Zimmerleuten seit Jahrhunderten gepflegt wird. Wie ein Fachwerkhaus gebaut wird, kann man aktuell in Winsen erleben, wo die Firma Emil von Elling & Sohn ein Musterhaus errichtet. Seit 1921 baut der Betrieb Fachwerkhäuser in traditioneller Bauweise. "Das Haus basiert auf einer Konstruktion aus Eichen-, Fichten- oder Douglasholz", sagt Oliver Knappe, Planer bei Emil von Elling. Auch unbehandeltes Holz behalte über Jahrhunderte seine Stabilität.

Dass Fachwerkhäuser uralt werden können, liegt nicht zuletzt an ihrer Konstruktion, erläutert Marco Mikliß, geschäftsführender Gesellschafter von Ambient Fachwerk aus Lemgo: "Wir setzen auf alte, bewährte Techniken. So wird nach wie vor auf Zug verzapft. Dabei liegen die Löcher, die mit Holznägeln verzapft werden, nicht genau übereinander. Wenn der vorn angeschrägte Holznagel eingeschlagen wird, werden sie übereinander gezogen, wodurch die Balkenkonstruktion gespannt wird."

Bei aller Tradition - neu gebaute Fachwerkhäuser sind moderne, zeitgemäße Gebäude, die allen energetischen Anforderungen des Gesetzgebers gerecht werden. "Sie erfüllen die höchsten Förderklassen der Kreditanstalt für Wiederaufbau", sagt Mikliß.

Anders als alte Fachwerkhäuser haben moderne Gebäude eine zusätzliche Innenwand, in der neben dem Dämmmaterial auch Hausinstallationen untergebracht werden. Dazu Oliver Knappe: "Bei einem alten Fachwerkhaus konnte man die Balkenkonstruktion der Außenwände auch von innen sehen." Durch die habe aber letztlich meist ein kräftiger Wind gezogen.

Die Innenwand eines modernen Hauses kann in Holztafelbauweise gebaut werden, möglich ist aber auch eine Mauer- oder Lehmkonstruktion. "Wer auch von innen Fachwerk an einer Außenwand sehen möchte, muss sich mit einer Fachwerkverkleidung begnügen, die mit der eigentlichen Fachwerkkonstruktion als statischer Hülle des Hauses keine Verbindung hat, erläutert Mikliß. Ansonsten gehöre eine offene Balkenkonstruktion im Inneren - seien es Säulen oder Deckenbalken - zum unverzichtbaren Ambiente eines Fachwerkhauses.

Modern ist nicht nur der energetische Aufbau, modern sind auch die Grundrisse. Ein traditionell-rustikales Ambiente schließt großzügige, offene Grundrisse nicht aus. Mit kleinen Kammern mussten die Vorfahren vorliebnehmen. Mit der inneren Neugestaltung der Fachwerkhäuser ändert sich oft auch die äußere Anmutung eines Hauses. Das aber fällt, wenn es gut gemacht wird, nicht unangenehm auf - immerhin hat sich die dörfliche Architektur seit Beginn des vorigen Jahrhunderts mit der Reformhausarchitektur und dem Heimatschutzstil stetig weiterentwickelt.

Damit das Haus gut gestaltet wird, setzen sich Bauherren und Planer zusammen und besprechen alle Details. "Ein Fachwerkhaus sollte sich in die traditionelle Bauweise einer Region einfügen und sparsam mit überlieferten Elementen wie Donnerbesen umgehen", rät Oliver Knappe. Der sollte früher Böses vom Haus fernhalten.

Moderne Wohnansprüche verlangen nach guten Lösungen - beispielsweise beim Dachausbau. Ob sich bei einem kleinen Fachwerkhaus eine überdimensionierte Dachgaube gut ausnimmt oder sich durch einen kleinen Anbau nicht doch eine bessere Lösung finden lässt, bleibt der Fantasie der Beteiligten überlassen. Auch können ausgesprochen moderne Elemente wie verglaste Anbauten integriert werden. Mitunter sind der planerischen Fantasie aber durch das Baurecht Grenzen gesetzt. So müssen sich Bauherren für ein Ziegeldach anstelle eines Reetdaches entscheiden, wenn das Grundstück zu klein ist. "Die Abstandsflächen für Reetdachhäuser sind größer als bei Ziegeldächern", sagt Knappe.

Überzeugungsarbeit muss mitunter geleistet werden, wenn man sich ein städtisches Fachwerkhaus bauen will. "Wir haben solche Häuser in Innenstädten gebaut", sagt Marco Mikliß. "Oft muss man den Ämtern dann aber erst einmal klarmachen, dass es sich bei diesen Massivbauten um Gebäude mit einer Holz-Stein-Verkleidung handelt, die sich baurechtlich nicht von anderen Häusern unterscheiden." Nicht immer tue es einer alten Innenstadt gut, wenn Neubauten in moderner Architektur errichtet werden.