Der Bezirksamtschef Hamburg-Mitte spricht angesichts der vielen Bauprojekte bereits von einer Trendwende

Seit Jahren trommelt Markus Schreiber, der Bezirksamtsleiter von Hamburg-Mitte, für das Thema "Wohnen in der Innenstadt". Lange Zeit blieb der politische Wille nur eine Verlautbarung. In der Neustadt gab es mit dem Portugiesenviertel und den Straßenzügen rund um den Großneumarkt zwar ausgedehnte Wohngebiete, aber sie schienen ohne Ausbaureserve zu sein. Und die Altstadt blieb, abgesehen von Wohninseln an der Altstädter Straße und auf dem Cremon, ein fast lupenreiner Büro- und Einzelhandelsstandort. Wer in der Innenstadt Wohnhäuser bauen wollte, musste Bürogebäude abreißen. Und das war, solange diese Flächen nachgefragt waren, kaum möglich. Hinzu kam, dass der politische Wille auch nicht in neues Baurecht überführt worden war. Am Dienstag nun hat der Senat zumindest den Weg in der Innenstadt für die Umnutzung von Büros zu Wohnungen freigemacht.

Bereits vor zwei, drei Jahren zeichnete sich dieses Umdenken in der City mit den Wallhöfen (Neuer Steinweg/ Hütten) ab. Errichtet wurde ein Wohnquartier mit 184 Mietwohnungen, einem Zwei-Sterne- und einem Apartmenthotel. Andere Projekte befinden sich im Bau. Neben dem Emporio, dem alten Unileverhaus, entstehen weitere 38 Mietwohnungen. Ebenfalls in der Neustadt plant die Saga-GWG am Bäckerbreitergang den Bau von 28 öffentlich geförderten Wohnungen. In der Altstadt entsteht neben der Katharinenkirche ein Quartier mit 125 Wohnungen. Und das ist erst der Anfang.

"Ich gehe davon aus, dass in den nächsten zehn Jahren pro Jahr 150 Wohnungen innerhalb des Wallrings gebaut werden können", sagt Peter Jorzick, geschäftsführender Gesellschafter von Hamburg-Team. Er hat die Wallhöfe gebaut und plant auf dem Cremon den Bau weiterer Wohnungen. An der Katharinenstraße sollen 40 Eigentumswohnungen entstehen. Jorzick rechnet derzeit mit Quadratmeterpreisen um die 4000 Euro, das Projekt soll 2013 fertiggestellt sein. Direkt daneben wird Wulff Hanseatische Bauträger das Quartier "Reimerstwiete" errichten.

Geplant sind acht Häuser mit circa 160 Wohnungen. Noch stehen hier Bürogebäude aus der Nachkriegszeit. 2014 sollen die neuen Wohngebäude bezugsfertig sein. "Hier entstehen 13 500 Quadratmeter Wohnfläche", sagt Andreas Seithe von Wulff Hanseatische Bauträger. Die Investitionskosten sind mit 60 Millionen Euro veranschlagt. Damit jedes der acht Gebäude nicht nur ein individuelles Aussehen erhält, sondern auch architektonisch überzeugt, wurde ein Architektenwettbewerb ausgelobt.

Bauen in der Innenstadt ist allerdings ein sensibles Thema, wie die Kritik an den Planungen für das Katharinenquartier gezeigt hat. Die historische Stadtsilhouette, einst von den fünf Hauptkirchen geprägt, verliert durch immer mehr Hochhäuser ihre Gestalt. Doch nicht nur die Silhouette ist in Gefahr, auch die alten Sichtbeziehungen innerhalb der Stadt werden zusehends zerstört. Groß war die Aufregung beispielsweise 2004, als der Neubau des Michaelis-Quartiers den Blick auf den Hamburger Michel versperrte. Ähnliches drohte der Katharinenkirche, da ein siebeneinhalbstöckiger Bürohausriegel als Lärmwall für die Wohngebäude des Katharinenquartiers geplant war. Nach langen Auseinandersetzungen werden die Bürogebäude jetzt nur noch mit sechs Stockwerken gebaut.

Möglich sind die neuen Wohnprojekte in der Innenstadt nur, weil alte Bürogebäude abgerissen werden können. Wo heute die Wallhöfe stehen, befand sich früher das Schulungszentrum der Haspa. Das Katharinenquartier wird auf dem Gelände der alten Katharinenschule gebaut.

Neben dem Abriss von Bürohäusern wird in Hamburg seit Jahren intensiv diskutiert, ob diese sich nicht auch einfach in Wohngebäude umbauen lassen. Ins Auge fallen sofort alte Kontorhäuser, in denen man sich große Wohnungen vorstellen kann - ähnlich wie Lofts, die in alten Fabriketagen eingerichtet wurden. Doch gerade diese Gebäude stehen für einen Umbau - eine Aufarbeitung - nicht zur Verfügung. Nicht nur lassen sie sich weiter gut als Büros vermieten, der technische Aufwand wäre zu groß, mitunter sogar unmöglich. Dennoch ist das Thema aktuell, wie das jüngste Wohnungsbauprojekt in der Neustadt zeigt. In einem Bürohaus am Herrengrabenfleet sollen in den oberen Etagen 15 Wohnungen gebaut werden, die für elf bis 13 Euro an dem Markt gehen sollen. Eine innenstadtübliche Miete. Für die Wohnungen im Emporio werden nach Auskunft von Wulff Hanseatische Bauträger um die zwölf Euro Kaltmiete verlangt. Markus Schreiber ist mit der Entwicklung zufrieden und spricht von einer Trendwende. "Je mehr Wohnungen es in der Innenstadt gibt, desto bunter wird das Leben in der Elbmetropole sein."