Mit der Garage im Haus überzeugte das Hamburger Architektenpaar Bettina Kunst und Christian Herbert beim Wettbewerb “Schöner Parken“.

Wenn Bettina Kunst aus ihrem Küchenfenster schaut, dann blickt sie nicht wie viele andere Menschen auf die Straße oder den Garten. Nein, sie schaut direkt auf den schönen alten Alfa Romeo in der Garage und auf die Fahrräder, die links und rechts an der Wand hängen.

Außenstehende könnten vermuten: eine verrückte Autoliebhaberin! Doch dem ist nicht so. Eher handelt es sich um einen architektonischen Kunstgriff, den die Hamburgerin und ihr Mann Christian Herbert - beide führen gemeinsam das Architekturbüro Kunst & Herbert - hier angewandt haben. Denn so können sie jetzt direkt von der Spüle aus über die Garage auf den Eingangsbereich des Hauses blicken, der geschützt hinter Backsteinbauten in einem Hinterhof in Eimsbüttel liegt. "Über die Garage öffnen wir unser Haus zur Stadt hin", sagt Bettina Kunst. "Wie ein Anker, den man auswirft, um trotz der introvertierten Lage des Hauses nicht den Kontakt zur Außenwelt zu verlieren."

Eine Lösung, die einer Jury so intelligent und überzeugend erschien, dass sie Bettina Kunst und Christian Herbert mit dem Architekturpreis "Schöner Parken 2011" auszeichnete. Auslober des Wettbewerbes waren die Firma Maserati und die deutsche Eternit AG. Die Juroren zeigten sich beeindruckt, wie geschickt die Garage als Schnittstelle zwischen Wohnraum und Stadt genutzt wird.

Für Bettina Kunst kam der Erfolg dennoch ein wenig unerwartet. "Wir sind gegen Mitbewerber angetreten, bei denen Geld unserem Eindruck nach keine Rolle spielte", sagt die 45-Jährige. Doch gerade dies gefiel wohl auch der Jury, die in ihrer Begründung darauf hinwies, mit welch "moderaten Mitteln" hier ein "komplexer räumlicher Zusammenhang zwischen privatem Wohnraum und städtischem Kontext hergestellt" wurde.

Dass gerade dieser Aspekt hervorgehoben wurde, freut Bettina Kunst umso mehr. Denn der Architektin liegt die Stadtentwicklung am Herzen. Nicht zuletzt deswegen hat sie auch im Büro Kunst & Herbert den Part übernommen, sich mit städtebaulichen Überlegungen in Wettbewerben einzubringen. "Ich versuche bei Projekten zugleich die Frage zu beantworten, wie man Menschen in ihr Wohnumfeld integrieren kann", sagt die Architektin. Deshalb trage das Büro auch den Untertitel "für Forschung und Entwicklung".

Viele dieser Überlegungen spiegeln sich in ihrem Wohnhaus in Eimsbüttel. Angefangen mit der Umnutzung ihres jetzigen Wohnhauses, das ursprünglich als Gewerbebau für eine Klempnerei diente. Bettina Kunst und ihr Mann bauten das Gebäude aus den 20er-Jahren 2005 so geschickt für Wohnzwecke um, dass ihr Freund, der renommierte Architekt Kees Christiaanse, es nach seinem ersten Hausbesuch "als Wolf im Schafsfell" bezeichnete. Ihn hatten die vielen Kunstgriffe im Haus fasziniert, die sich manchmal erst auf den zweiten Blick erschließen.

So überrascht das Gebäude nicht nur mit dem Fenster in der Küche zur Garage hin. Wer die Immobilie das erste Mal betritt, ist auch verwundert über die Helligkeit im Haus. Möglich wird dies durch das Atrium, das den inneren Rahmen des Gebäudes bildet. "Wir haben den Innenhof dort geplant, wo er für das Leben wichtig ist", sagt die Architektin. Er sorge dafür, dass nicht nur der angrenzende Wohn- und Arbeitstrakt mit Licht versorgt werde. Zugleich bildet der Innenhof mit der integrierten Pflanzinsel und der Holzterrasse den ruhenden Pol des Hauses, auf den man sich - unter freiem Himmel - zurückziehen kann.

Die bewusst nachlässig verputzte Backsteinwand des Atriums, die zugleich vom benachbarten Grundstück mit den hohen, alten Bäumen abgrenzt, verweist auf ein weiteres Stilmerkmal, das im Haus angewendet wird. "Materialität und Ruhe in der Farbe sind die zwei Grundpfeiler unseres Einrichtungsstils", sagt Bettina Kunst. "Wir haben darauf geachtet, dass sich die verwendeten Materialien und Farben im Haus überall wiederfinden, gleichzeitig praktisch und nicht teuer in der Anschaffung sind." So kamen im Wohnzimmer und in den beiden Bädern Regale aus HPL-Verbundplatten in Trespa-Grau oder in Dunkelbraun zum Einsatz. Das Grau findet sich auch in den Rahmungen der deckenhohen Schiebefenster und -türen wieder.

In bewusstem Kontrast dazu ließ das Ehepaar den Estrichboden im ganzen Haus einfach nur in einem freundlichen Gelb überstreichen. "Der Farbton soll an Raps erinnern", sagt die Architektin. Durch ihn würden alle Elemente im Raum - viele davon stammen von bekannten Möbeldesignern oder sind Maßanfertigungen ihres Mannes - aufgewertet. Und obgleich die Farbe eher kühl wirkt, fußkalt wird dem Ehepaar mit seinen beiden Kindern im Alter von fünf und sieben Jahren nicht: Eine Fußbodenheizung sorgt nahezu im ganzen Haus für Wärme.

Selbst auf ein wenig Grün am Haus muss die Familie nicht verzichten. Direkt vor dem Kinderzimmer wurde ein kleiner Garten angelegt - und ein Durchgang zu den beiden Nachbarhäusern, in denen Freunde mit ihren Kindern wohnen. Auch diese Einheiten dienten ursprünglich rein gewerblichen Zwecken, "Wir haben das lang gestreckte Laborgebäude einfach in zwei Einheiten unterteilt und diese - wie in unserem Haus - mit eigenen Atrien versehen", sagt Bettina Kunst. Es entstanden zwei jeweils 140 m² große, ebenerdige Häuser mit gut 25 m² großen Innenhöfen. Diese Häuser liegen ebenfalls versteckt hinter Backsteinbauten. Bettina Kunst ist überzeugt, dass sich noch viele solcher Flächen in der Stadt finden, die für Wohnzwecke umgenutzt werden können. "Man muss sie nur suchen", sagt die Architektin. "Mal ehrlich, wer will denn noch Gewerbe in der Stadt haben?"