Zu den alteingesessenen Bewohnern im Reiherstiegviertel in Wilhelmsburg ziehen immer mehr junge Leute

"Ein Szeneviertel soll und wird das Reiherstiegviertel nicht werden", stellt Sabine de Buhr unmissverständlich fest. "Auch wenn es ein interessanter Wohnort für Kreative ist." Sabine de Buhr ist als Projektkoordinatorin der Internationalen Bauausstellung (IBA) in Wilhelmsburg für das gründerzeitliche Quartier am Reiherstieg zuständig. Die IBA wolle keinen Aufwertungsprozess in Gang setzen, der die hier lebenden Menschen vertreibt. "Uns geht es um eine bunte Mischung. Die neu zugezogenen Bürger sollen mit den alteingesessenen gut zusammenleben."

Der Ausländeranteil unter den Alteingesessenen beträgt 34 Prozent. Das schreckt gut situierte Hamburger ab, sich mit einem Umzug auf die Elbinsel ernsthaft zu beschäftigen. Dennoch ziehen immer mehr Hamburger auf die Elbinsel - pro Jahr rund 1300, von denen 70 Prozent aus den nördlichen Stadtteilen kommen. Besonders junge Menschen finden Gefallen an Wilhelmsburg, darunter viele Studenten, die sich mehrheitlich für die Veddel entscheiden, wo das Wohnen im Rahmen des Senatsprogramms "Studenten auf die Elbinsel" subventioniert wird. "Hier ist jeder zweite Zuziehende zwischen 18 und 30 Jahre jung", hat das Forschungsinstitut Analyse & Konzepte in einer Studie festgestellt. "Im gastronomischen Gewerbe findet eine sichtbare Veränderung von der einfachen zur mittleren Gastronomie statt", heißt es dort weiter. Eine Entwicklung, die auch Sabine de Buhr begrüßt: "Etwas szeniger könnte das Reiherstiegviertel ruhig werden."

Viele der jungen Hamburger zieht es auf die Elbinsel, weil sie hier zu erschwinglichen Mieten wohnen können und weil sie an der Entwicklung des neuen Stadtteils teilhaben wollen. Baugemeinschaften wiederum interessieren sich für Projekte wie das "Open House" oder die "Neuen Hamburger Terrassen", wo nachbarschaftliches Wohnen praktiziert wird. "Diese Gruppen sind untereinander vernetzt und bringen sich in die Stadtteilarbeit ein", sagt Sabine de Buhr.

Der Kontakt zur türkischen Bevölkerungsgruppe beschränke sich dagegen auf Begegnungen mit der türkischen Elternvertretung und einigen anderen Gruppen. Bei der Neu- und Umgestaltung des Weltquartiers, dessen Häuser aus den 1930er-Jahren stammen, hat die IBA deshalb insbesondere auf die Mitarbeit nicht-deutscher Kinder gesetzt. "Sie sollten ein Verständnis dafür bekommen, dass man etwas verändern kann, wenn man sich beteiligt", sagt Sabine de Buhr.

Zu den wichtigen IBA-Projekten gehört die Neue Mitte, die zwischen dem alten Reiherstiegviertel und der Plattenbausiedlung Korallusviertel entsteht. Hier werden das neue Gebäude der Behörde für Stadtentwicklung und die Water Houses entstehen.

"Von den 34 Einheiten sind innerhalb von drei Monaten 33 für Preise von unter 3000 Euro pro Quadratmeter verkauft worden", freut sich der IBA-Projektkoordinator Hubert Lakenbrink. Das sei ein positives Signal für die Wohnungswirtschaft. "Mittlerweile haben wir für fast jedes Projekt einen Investor gefunden." Lange Zeit habe die Einstellung "Ich investiere nicht südlich der Elbe" die Köpfe der Projektentwickler blockiert.

Bis zum Spreehafen erstreckt sich von der Neuen Mitte ein Gebiet von 113 Hektar. "Hier können 5000 Wohnungen und zusätzlich Flächen für Gewerbe und Freizeit geschaffen werden", ist Lakenbrink sicher. "70 Prozent der Flächen gehören der Stadt." Damit schneidet er ein Problem an, das zur Nagelprobe für die IBA werden könnte. "Was unternimmt die Stadt, damit es hier weitergeht, wenn die IBA nach 2013 ihre Zelte abbricht?"

Diese könnte die Entwicklung nur anschieben, betont Lakenbrink. Anschließend müssten die Wilhelmsburger, die Bezirke Mitte und Harburg sowie die Stadt sie weiterführen. "Da müssen noch in diesem Jahr, spätestens im nächsten, organisatorische und finanzielle Entscheidungen getroffen werden."