Serie “Wohnstile“, Teil 5: Zunächst stand die industrielle Fertigung im Vordergrund, mittlerweile wird der Purismus weltweit kultiviert.

Ein Stuhl aus Stahlrohr, von Verzierungen befreites Geschirr, auf das Wesentliche reduzierte Architektur, deren Reiz in einem spannungsreichen Kontrast von kantigen und geschwungenen Bauteilen liegt: Gemessen daran, wie der gemeine Deutsche in den 1920er- Jahren wohnte und lebte, war alles, was vom 1919 gegründeten Staatlichen Bauhaus propagiert wurde, schlichtweg revolutionär. Die komplett neue Vorstellung vom Wohnen und der Gestaltung von Alltagsobjekten entstand in Weimar. Hauptinitiator der bahnbrechenden Reformbewegung war der Architekt Walter Gropius. Ihm gelang es, Künstler wie Paul Klee, Marcel Breuer, Lázló Moholy-Nagy oder Lyonel Feininger als Lehrer und Studenten um sich zu versammeln.

Sein Ziel: An seiner Schule Designer auszubilden, die in Architektur, Handwerk und Industrie Akzente setzen sollten. Dabei ging es Gropius in erster Linie um die Symbiose von industrieller Massenproduktion und künstlerischem Qualitätsanspruch sowie um die Erprobung neuer Produktionsformen. Seine Studenten erhielten daher nicht nur theoretischen Unterricht: Sie mussten auch Handwerkskurse in den Werkstätten belegen.

Der Bauhaus-Stil fand schnell viele Anhänger. Nach Querelen mit der konservativen thüringischen Regierung verlegte das Bauhaus 1925 seinen Sitz nach Dessau im Freistaat Anhalt. Gropius entwarf für den Standort ein Gebäude mit einer markanten, verglasten Fassade, das im Dezember 1926 bezogen wurde. Seine Klarheit, Helligkeit und Funktionalität setzten Maßstäbe für die Architektur des neuen Bauens.

1933 dann gingen die Bauhäusler nach Berlin. Doch der Aufenthalt sollte nicht lange währen. Die Lehrkräfte, allen voran der Architekt und Designer Ludwig Mies van der Rohe, beschlossen noch im selben Jahr die Auflösung der Schule - den von den Nationalsozialisten diktierten Bedingungen für die Weiterführung der Einrichtung wollten sie sich nicht beugen.

Die meisten Bauhaus-Anhänger emigrierten in die USA. Viele von ihnen waren nicht nur als Architekten, sondern auch als Dozenten an amerikanischen Universitäten tätig. Dadurch nahm der Einfluss des Bauhaus-Stils, der bis heute nicht an Attraktivität und Aktualität verloren hat, schnell zu. Noch immer greifen zeitgenössische Designer auf das Repertoire von damals zurück. Auch Architekten und Fertighaus-Hersteller verhelfen dem Bauhaus unaufhörlich zu neuem Glanz, indem sie die Vorbilder der Häuser, die in den 1920er-Jahren entstanden sind, für moderne Architekturentwürfe zitieren oder wieder aufnehmen. "Die prägenden Stilelemente des Bauhauses wie kubische Formen, gerade Linien und funktionale Grundrisse finden sich stilmäßig in vielen aktuellen Fertighäusern wieder", sagt Dirk-Uwe Klaas, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Fertigbau (BDF).

Ein Bekenntnis zum Wesentlichen, zur reinen Architektur des Bauhauses sind insbesondere Flachdach-Häuser, die vor einigen Jahren wieder extrem in Mode gekommen sind. Befreit von allem Überflüssigen greifen sie die Tradition des Bauhauses mit spannenden Proportionen, Material- und Farbkonzepten auf. Den Trend zum Flachdach bestätigt auch Christina Heine von FingerHaus. Mit dem gradlinigen Flachdach-Entwurf des Hauses AT1 interpretiert das Unternehmen den Bauhaus-Stil und passt ihn gleichzeitig an heutige Ansprüche an. Große Glasflächen holen Licht ins Haus. Die außen sichtbaren Holzelemente verströmen einen wohnlichen Charakter. Auf den Bauhaus-Stil setzen auch Anbieter von Häusern wie Cubus Designhaus ( www.cubus-designhaus.de ), Meisterstück ( www.meisterstueck.de ), Haacke (haacke-haus.de) oder novaHaus ( www.fertighauswerk.de ).

Ein Lebensumfeld in Bauhaus-Tradition lässt sich vor allem mit den Klassikern dieses Stils schaffen. Dazu gehören Möbel von Designern wie den Gebrüdern Thonet, Mies van der Rohe, Le Corbusier, Eileen Gray, Marcel Breuer, Charles Eames oder Mart Stam. Sein Freischwinger S 43 macht sich zum Beispiel in fast jeder Küche gut.

Aus Anlass des 90-jährigen Bestehens des Staatlichen Bauhauses hat Thonet eine Sonderedition des Stahlrohr-Klassikers in neuen, kräftigen Farben aufgelegt. Auch der Lounge Chair und die Ottomane von Charles Eames, heute von Vitra hergestellt, kommen einfach nicht aus der Mode, weil sie zeitlos schön und bequem sind. Das gilt auch für den Chesterfield-Zweisitzer von Walter Gropius oder das LC2-Sofa von Le Corbusier, das Cassina jetzt fertigt. Dazu passen der legendäre, höhenverstellbare Beistelltisch E 1027 von Eileen Gray und Lampen im Bauhaus-Stil. Auch diese zeichnen sich durch den Einsatz von Stahlrohr, Chrom oder Aluminium aus. Zu den berühmtesten Tischleuchten der Welt zählt die Wagenfeld-Leuchte WG 24, heute von Tecnolumen mit einem Schirm aus Opalglas hergestellt.

Ein weiterer Bauhaus-Klassiker ist der Stahlrohr-Schreibtisch S 285 aus dem Jahr 1935 von Marcel Breuer (gr. Foto). Zum 75. Geburtstag hat Hersteller Thonet den Schreibtisch an die Bedürfnisse der Gegenwart angepasst und ihn leicht umgebaut, ohne dem Schreibtisch sein Gesicht zu nehmen. Neu sind die Schubladen mit Vollauszug und gedämpftem Einzug. Zudem hat Thonet zwei Sonderausführungen der Design-Ikone präsentiert: die Schubladen der Ladies' und Men's Edition sind mit einer Stoff- oder Ledereinlage ausgestattet, wobei sich die Ausführung für die Dame durch viel Farbe und die für den Herrn durch schlichte Eleganz auszeichnet. Marcel Breuer kann die neuen Modelle leider nicht mehr begutachten; er ist inzwischen verstorben.

Wer sich die teilweise kostspieligen Originale nicht leisten mag, sollte sich bei der Farbwahl für Räume und Möbel an den Grundfarben Schwarz, Weiß, Rot, Gelb und Blau orientieren. Zudem drückt sich das Grundverständnis des Bauhauses in geometrischen Formen wie dem Quadrat, dem Rechteck, dem Kreis und dem Dreieck aus.