Nicht nur bei Sanierern erfreuen sich historische Baumaterialien großer Nachfrage. Ihre Wiederverwendung ist umweltschonend.

Lange hat Familie Mewes nach der passenden Tür für ihr Haus gesucht. Aber weder in einem der großen Baumärkte noch beim lokalen Fachhändler wurde man fündig, und eine profane 08/15-Lösung kam nicht infrage. Stattdessen sollte es etwas Besonderes mit Charme und Geschichte sein, das zum Stadthaus in Groß Flottbek passt - eine historische Tür musste her: "So eine massive Zimmertür gibt es heute doch gar nicht mehr zu kaufen, und eine Nachbildung wäre sehr viel teurer gewesen und wäre höchstwahrscheinlich nicht nach klassischer Tischlermanier gefertigt worden, die mit dem Stil unseres Hauses so gut harmonieren würde", sagt Unternehmer Nic Mewes. Und so ließ der 32-Jährige nicht nur die Tür von 1904 aufarbeiten, sondern auch gleich noch seine alten Pitchpine-Dielen.

Fündig wurde die Familie mithilfe der ausführenden Firma "Holzarbeiten Friederichs" bei der Bauteilbörse Bremen. Diese handelt bundesweit mit historischen Bauelementen, die vor dem Zweiten Weltkrieg produziert wurden. Die Architektin Andrea Weiß - sie berät Kunden über die Möglichkeiten und Grenzen des Materialeinsatzes - sieht in der Verwendung alter Dachpfannen, Klinker und Türen auch Vorteile: "Die Besitzer der Abriss-Immobilien sparen die anfallenden Kosten für Ausbau, Abtransport und Entsorgung, denn das übernehmen wir." Außerdem könnten die Kunden zum Beispiel deutlich günstiger historische Kupferleitungen oder Waschbecken erwerben und dabei interessante Unikate aufstöbern.

Andererseits ist die Wiederverwendung umweltschonend, denn die bei der Produktion eines Fensters verwendete "graue" Energie geht nicht auf dem Schrottplatz abhanden, sondern wird wieder verwendet. Oder sie wird durch eine zusätzliche Verglasung mit minimalem Energieaufwand sinnvoll ergänzt. Als graue Energie wird die Energiemenge bezeichnet, die für Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung benötigt wird.

Diese Idee des "Urban Mining", sinngemäß des Ausschöpfens von städtischen Altbauressourcen, verfolgen inzwischen auch viele Internet-Plattformen für alte Bauteile. Das Konzept ermöglicht nicht nur einen cleveren Umweltschutz, sondern auch die Integration einmaliger Bauantiquitäten ins Eigenheim. Verwendung finden viele der Schmuckstücke mittlerweile in unterschiedlichen Bereichen des Innen- und Außenbereichs, und dies weit über die Landesgrenzen hinaus.

Die Entwicklung dieses Marktes erstaunt bisweilen auch die Experten: Denn waren es lange Zeit vornehmlich Altbausanierer, die nur hier und da mal eine kaputte Fliese im Jugendstilbad austauschten oder eine nicht mehr erhältliche Bauhaus-Klinke für die Haustür suchten, interessiert sich zunehmend auch eine ganz andere Klientel für alte Bauelemente: Junge Bauherren, die für den besonderen Blickfang in der Wohnung auch schon mal Backsteine von Mörtelresten befreien oder Gründerzeit-Fenstergriffe auf Hochglanz polieren.

So unterschiedlich wie der Kundenstamm, so facettenreich sind auch die Verwendungsmöglichkeiten älterer Bauteile. Firmen haben sich darauf spezialisiert nahezu alle Elemente, auch Treppen, aufzuarbeiten und an eine bestehende Bausubstanz anzupassen. Besonderer Beliebtheit erfreuen sich die blau-weißen Delfter Fliesen für Küche, Wohn- oder Esszimmer sowie neu geölte Wandvertäfelungen.

Sehr gefragt sind auch Holzdielen für das Wohnzimmer, die durch den Aufarbeitungsprozess farblich variieren können und trotzdem edel daherkommen. Neben hochwertigen Zierelementen wie seltenen Glasheizungen aus dem französischen Jugendstil oder prunkvollen Armaturen aus den 1930er-Jahren stehen vor allem alte Backsteine hoch im Kurs. An der Außenfassade verwendet, verleihen sie nicht nur so manchem Einfamilienhaus einen besonders schönen Charme - gut zu beobachten bei repräsenativen Neubauten auf der Insel Sylt. Auch innen werden sie als Trennwand oder zur Verkleidung einer Wand gern genutzt. Ein Trend, der so schon seit Jahren in London und New York zu beobachten ist und sich nun langsam auch in deutschen Großstädten wie Berlin oder Hamburg durchsetzt.

So werden manche Lager- oder Fabrikhallen inzwischen als moderne Wohnlofts genutzt. Dabei wird oftmals auch bestehendes Ziegelmauerwerk als Stilelement freigelegt. Fehlende oder brüchige Stellen können in solchen Fällen dann durch historische Bauelemente ergänzt werden. Damit wird Altes sinnvoll mit Neuem kombiniert.

Besonders elegant wirken dabei hochglanz-lasierte Rahmen, die das Steinornament einfassen und damit zusätzlich den Übergang etwa zu einer Tapete formschön überbrücken.

Dass historische Baustoffe darüber hinaus für die authentische Restauration eines ganzen Hauses verwendet werden können, zeigt das "Spiekerhus" - ein niederdeutsches Bauernhaus aus dem Jahr 1624, das im Museumsdorf Volksdorf zu sehen ist. Anders als das Haus der Familie Mewes ist es bald öffentlich zu besichtigen: Das Fachwerkgebäude wurde mit 100 Jahre alten Handstrichsteinen, 200 Jahre altem Eichenfachwerk und 300 Jahre alten Handwerkstechniken (Muscheltalkpaste zum Verfugen) in enger Abstimmung mit dem Denkmalschutzamt in den ursprünglichen Zustand als Fachhallenhaus mit offenem Herd zurückgebaut.

Egal also ob große oder kleine Projekte - Baumaterialien mit Patina ergänzen stilvoll sowohl klassische als auch moderne Wohnkonzepte. Und wenn es nur der Fernsehtisch aus Backsteinen mit einer darauf liegenden Glasplatte ist - den kennen Puristen immerhin noch aus Studentenzeiten.

www.bauteilboerse-bremen.de

www.holzarbeiten-hamburg.de

www.alois-info.de

www.baurat.de