Abgewetztes Leder oder andere Schönheitsfehler zählen beim Vintage-Style als Markenzeichen. Der nostalgische Charm ist heiß begehrt.

Chesterfield Sofas mit abgewetztem Lederbezug, Lampen mit Schirmen aus weißem Kunststoff, und Stühle, die scheinbar ein halbes Jahrhundert in Großmutters Keller überdauert haben. Seit einiger Zeit halten "Vintage-Style", "Shabby Chic" und "Used Look" Einzug in unsere Wohn-, Schlaf- und Esszimmer. Diese Einrichtungsstile, für viele eher Wohnphilosophien, rücken Möbel und Accessoires in den Vordergrund, die eine Vergangenheit haben und nostalgischen Charme verbreiten.

Während man "shabby" mit "schäbig" und "used" mit "gebraucht" übersetzen kann, bedeutet das englische Wort "vintage" ursprünglich nichts anderes als "altmodisch". Erst mit einer weiteren im Lexikon angegebenen Bedeutung wird deutlich, was diesen Stil eigentlich ausmacht: Vintage bedeutet nämlich vor allem "erlesen". So sind Vintage-Möbel im Unterschied zu einfachen Secondhand-Artikeln von erstklassiger Qualität und in Würde gealtert. Besonders begehrt sind Designklassiker aus den Jahren 1930 bis 1970. Bei den Vintage-Romantikern stehen dagegen Möbel im viktorianischen Stil hoch im Kurs, bei den Puristen skandinavische Fabrikate aus den 50er- und 60er-Jahren. In jedem Fall aber sind Kratzer im Lack, abgewetztes Leder oder andere Schönheitsfehler erwünschte Zeichen von Authentizität.

Zwar erstehen wahre Vintage-Fans ihre Stücke auf Floh- und Antikmärkten oder bei Internetauktionen - doch für alle, die nicht auf Zufallsfunde setzen wollen, gibt es Läden wie "Lys-Vintage" in Eimsbüttel (Eppendorfer Weg 8, www.lys-vintage.com ). Hier handelt Simone Sauvigny seit 2008 mit Vintage-Möbeln, die sie zumeist von ihren Besuchen bei dänischen Antiquitätenhändlern mitbringt. Dazu kommen viele fabrikneue Einrichtungsgegenstände, die - zumindest optisch - die Nachfolge der Klassiker antreten. "Vieles aus der Hochphase der skandinavischen Designkultur wird wieder aufgelegt", sagt Simone Sauvigny. "Oft mit Qualitätsverlust, dafür jedoch zu günstigeren Preisen." Das gilt für Teak- und Palisandermöbel ebenso wie für Lampen. So hat die kugelige "Flower Pot" von Verner Panton zum Beispiel keine Bakkelitfassung mehr, sondern eine aus Kunststoff. Und die Leuchte "Norm 69", der Gestalt der "Königin" unter den Lampen - der "Artischocke" von Poul Henningsen - nachempfunden, ist bei Designhersteller Normann Kopenhagen bereits ab 100 Euro zu haben. Für das Original müssten mehrere Tausender hingeblättert werden.

Trotzdem ist auch das Interesse an Originalen aus dem "goldenen Zeitalter", wie Simone Sauvigny die 50er- und 60er-Jahre in Skandinavien nennt, groß. "Da hat sich eine richtige Sammlerszene gebildet, in der Geld oft keine Rolle spielt", sagt sie. Es gelte das Motto: Je unangefasster und originaler der Zustand, desto erstrebenswerter. Trotzdem muss Simone Sauvigny manchmal Hand anlegen und etwa einen alten Teak-Schaukelstuhl von Holger Georg Jensen neu polstern und beziehen. Um möglichst authentisch zu bleiben, nimmt sie dafür Stoffe eines dänischen Traditionsbetriebes. Doch nicht nur Möbel prägen den Vintage-Stil - auch nostalgisch-gemusterte Tapeten, ausgefallene Stoffe oder Accessoires wie bemalte Keramik und Rauchglasvasen tragen dazu bei. Denn Einrichten im Vintage-Aussehen heißt vor allem eins: gut kombinieren. "Bei Textilien und Polstern kann man gleichfarbige Stoffe mit unterschiedlichen Mustern oder Stoffe innerhalb einer Farbfamilie mixen. Dafür bieten sich die Stoffe der schwedischen Designerin Fanny Aronsen oder des finnischen Herstellers Marimekko an (gesehen bei Lizzard Living, www.lizardliving.de ).

Den besten Hintergrund für die Inszenierung von Möbeln und Accessoires im Vintage-Stil bilden übrigens neutrale Wandfarben wie ein abgetöntes Weiß oder ein dezentes Grau.

Eine Einrichtung im Vintage-Stil kann nicht von heute auf morgen entstehen, sondern braucht ihre Zeit. Es lohnt sich, bei Haushaltsauflösungen oder auf dem Flohmarkt nach Einrichtungsgegenständen zu schauen, die das Zeug zu echten Vintage-Möbeln haben. Und wer sich nicht von seinem alten Kiefernschrank trennen will und es mit der Authentizität nicht so genau nimmt, kann auch ihm mit der entsprechenden Lackierung einen Vintage-Look verpassen.

+++ Zum Nachlesen: Wohnstile +++