Architekturporträt: Wo früher Gemüse verkauft wurde, plant das Büro Kantstein jetzt Neubauten und Umbauten

Unmittelbarer und begrifflicher kann man seinen Wunsch, öffentlich wahrgenommen zu werden, nicht zum Ausdruck bringen. "Kantstein" im Sinne von Bordstein ist der Name des Architekturbüros, das Gerrit Rampendahl und Andor Busse vor gut neun Jahren in Hamburg gegründet haben. Passend dazu mieteten sie die Flächen im Erdgeschoss eines Altbaus in der Bogenstraße an. Hier verkaufte vordem ein Händler sein Gemüse. Nur wenige Schritte weiter verläuft der Grindelberg, eine der quirligsten Hauptverkehrsadern der Stadt. "Statt Obst und Gemüse sind jetzt Fotos von Häusern in unserer Fensterauslage zu sehen", sagt Andor Busse. In der Adventszeit waren es 24 Schoko-Weihnachtsmänner oder das, was von ihnen übrig blieb, je näher das Fest rückte. Und zu Ostern Überraschungseier. "Das hat uns viele Kinderbesuche beschert", freut sich Rampendahl.

Der 43 Jahre alte Architekt hat im Büro, wie er selbst sagt, den Job des Außenministers übernommen. "Ich bin derjenige, mit dem der Kunde am Anfang und am Ende des Projekts zu tun hat. Auch übernehme ich die Bauleitung." Busse fungiert im Gegenzug als Innenminister im Büro, das inzwischen drei weitere Ingenieure beschäftigt und stundenweise auch zwei Studenten. "Ich sorge dafür, dass alles, was wir planen, auch umsetzbar ist, indem ich Kontakt zu den Behörden halte", sagt der 46 Jahre alte Architekt. Eine ideale Arbeitsteilung, wie es scheint. Schon zu Studienzeiten haben die beiden bewiesen, dass sie sich gut ergänzen. So legten sie zum Abschluss ihres Studiums an der Fachhochschule Hamburg, der jetzigen HafenCity Universität, eine gemeinsame Diplomarbeit vor.

Damals ging es um die Neugestaltung des Platzes rund um die St. Marienkirche in Wismar. "Die Bürgermeisterin war begeistert, unter Einbindung der Kirche ein Kulturzentrum zu schaffen", sagt Busse. Doch es fehlte an Geld, um die Pläne auch umzusetzen.

Standbeine des Büros sind inzwischen Wohnprojekte und die Revitalisierung von Gewerbegebäuden. Manchmal sind die Grenzen auch fließend, wie eines der jüngeren Projekte in Hammerbrook zeigt. Dort sollte ein bis dahin rein gewerblich genutztes Gebäude zu einer Art Boardinghaus für Studenten umgenutzt werden. So nennt man Häuser, in denen man Wohnraum kurzfristig und auch nur zeitweilig anmieten kann. "Doch letztlich konnte das Projekt in der City-Süd, einem reinen Gewerbestandort, so nicht umgesetzt werden", sagt Busse. Also wurde das Gebäude energetisch saniert und barrierefrei umgebaut. Zumindest ist heute dort auch eine Berufsschule angesiedelt.

Viel Planungszeit und Engagement erforderte das jüngste, größere Wohnungsprojekt des Büros. "Für die Baugemeinschaft ,Baurausch' in Altona haben wir auf zwei Grundstücken zwei Mehrfamilienhäuser errichtet, mit insgesamt neun Einheiten", sagt Busse. Die Planungen seien komplizierter gewesen als anfangs gedacht, erinnert sich Rampendahl. Auch weil ein bereits bestehendes Gebäude in die Pläne mit einbezogen werden musste. "Wir lösten das Problem, indem wir zwei Eigentümergemeinschaften mit gegenseitigen Baulasten gründeten." Die Häuser sind mittlerweile bezogen. "Der Eigentümermix spiegelt einen interessanten Querschnitt wieder", sagt Rampendahl. Familien mit Kindern seien hier nicht zu finden, dafür Paare, bei denen die Kinder schon ausgezogen sind, sowie Singlehaushalte und gleichgeschlechtliche Paare. Alle verfolgten das Ziel, an diesem Standort gemeinsam alt zu werden und sich im Notfall zu helfen.

Gegenwärtig befindet sich das Büro im Gespräch mit zwei weiteren Baugemeinschaften. "Wir suchen noch nach geeigneten Grundstücken", sagt Busse. Darüber hinaus erhält das Büro viele Aufträge, die unter dem Stichwort "Nachverdichtung von Wohnraum" laufen, indem Dächer ausgebaut oder Häuser aufgestockt werden. Eine Arbeit, bei der die Behörden zwar Auflagen erteilen, aber kaum Steine in den Weg legen.