2004 wurde die St.-Stephanus-Kirche in Eimsbüttel zu einer Event-Galerie umgebaut. Jetzt steht sie erneut zum Verkauf

Hamburg. Frühere Generationen hätten sich bei dem Gedanken, in einer Fabrik, einer Mühle, einer Schule oder einem Bahnhof zu wohnen, sehr unwohl gefühlt. Heutzutage hat man sich nicht nur an den Gedanken gewöhnt - im Gegenteil, Menschen, die in einer umgebauten, 100 Jahre alten Fabrik oder in zu hochwertigen Wohnungen renovierten ehemaligen Stallungen oder Wagenremisen ihr Domizil gefunden haben, werden allgemein beneidet. Selbst in und auf Bunkern aus dem Zweiten Weltkrieg wurden in den vergangenen Jahren viele Wohnungen gebaut.

Immer wenn attraktive Gewerbegebäude ihre ursprüngliche Funktion verlieren, finden sich Menschen, die mit viel Fantasie ans Werk gehen, um hier ihren Traum vom Wohnen im außergewöhnlichen Ambiente zu verwirklichen. Auf Menschen mit Fantasie und dem nötigen Kleingeld hofft auch die Maklerin Bente Tralau von Engel & Völkers Commercial. Sie hat für 3,2 Millionen Euro eine Kirche aus dem Jahre 1912 im Angebot. "Hier kann man sich eine einmalige Wohnsituationen schaffen", ist Bente Tralau überzeugt. Die Fassade der Kirche stehe unter Denkmalschutz, im Innenraum habe man aber völlig freie Hand.

Vor der Kirche liegt ein kleiner Park, die Osterstraße ist in der Nähe

Das Gebäude, die ehemalige St.-Stephanus-Kirche, steht auf einem Grundstück in der Lutterothstraße in Eimsbüttel - eine Straße, die durch vier- und fünfstöckige Wohnhäuser aus der Gründerzeit geprägt ist. Hier leben viele Familien mit Kindern, weshalb im ehemaligen Pastorat, das sich an die hintere Fassade der Kirche anlehnt, eine Kindertagesstätte untergebracht ist. Dieser Gebäudeteil gehört nicht zu dem zum Verkauf stehenden Kirchenteil. Vor der Kirche liegt ein kleiner Park. Die Osterstraße und die Müggenkampstraße mit ihren Einkaufsmöglichkeiten und Cafés sind zu Fuß erreichbar.

Die Kirche ist nicht im verschnörkelten Stil der wilhelminischen Backsteingotik erbaut, sondern im Stil der Reformarchitektur mit ländlichen Elementen. Die Bergedorfer Architekten Hermann Distel und August Grubitz haben sie entworfen. Sie gehörten zu den Architekten, die in den 1920er-Jahren auf der Veddel und in der Jarrestadt mitbauen durften. Auch die Pläne für die ehemalige Standortverwaltung an der Sophienterrasse stammten aus dem Büro Distel und Grubitz. Zu ihrer Zeit galt die St.-Stephanus-Kirche als ausgesprochen innovativ, bündelte der Gebäudekomplex doch die verschiedenen Gemeindeaktivitäten. Im Krieg wurde die Kirche beschädigt. 1956 gestalteten die auf Kirchenbauten spezialisierten Architekten Bernhard Hopp und Rudolf Jäger das Innere der Kirche neu.

Altar, Kanzel und Orgel wurden ausgebaut, das Taufbecken blieb

Doch davon ist heutzutage nicht mehr viel zu sehen - abgesehen von dem Mosaik im Chor, geschaffen von Klaus Wallner. 2004 war die Kirche entwidmet worden, weil St. Stephanus als kleinste Gemeinde Hamburgs mit umliegenden Gemeinden verschmolzen wurde. 2008 kaufte sie der jetzige Besitzer und baute sie 2009 gemeinsam mit dem Architekten Rainald Mühlens zu einer "Event-Galerie mit Café" um. Der Altar, die Kanzel und die Orgel waren zuvor ausgebaut worden. Geblieben sind das Taufbecken und die Glocken. Das Taufbecken wurde aus einer Glocke der St.-Katharinen-Kirche gefertigt.

Betritt man die "Kirche" durch den Vorraum, beeindruckt der 385 m² große Kirchenraum nicht nur durch sein Volumen, sondern auch durch die moderne Gestaltung. Neben dem Saal, zu dem eine Cafeteria gehört, gibt einen großen Seitensaal. Die Fenster sind neu. Sie lassen viel Licht in den Raum und halten gleichzeitig Geräusche von außen fern.

Richtet man den Blick nach oben, fällt nicht nur die ehemalige Galerie ins Auge, sondern auch eine moderne Stahlempore, die sich in den Kirchenraum erstreckt. Man erreicht sie über eine Treppe, deren Fuß sich auf der ehemaligen Orgelempore befindet. Galerie und Empore bieten weitere 198 m² Nutzfläche. Doch damit nicht genug. Im Souterrain gibt es noch einmal 356 m² Nutzfläche. Weitere Räume des Souterrains, darunter ein großer, wohnlicher Raum mit moderner Profi-Küche, haben Fenster. "Im Turm gibt es noch eine Ausbaureserve von 172 Quadratmetern", betont Maklerin Bente Tralau. "Insgesamt beträgt die Nutzfläche rund 1110 Quadratmeter."

Da die Räumlichkeiten für eine gastronomische Nutzung umgebaut wurden, gibt es eine Reihe von Einrichtungen, die man in dieser Dimension nicht in einem normalen Wohnhaus vorfindet - so die Toiletten und der Kühlraum. Die Kirche könnte also jederzeit auch als gastronomische Einrichtung genutzt werden. Denkbar wäre auch eine Mischnutzung. "Hier könnte sich ein kreativer Freiberufler sein Wohnhaus und sein Büro oder Atelier einrichten", sagt Bente Tralau. Aber auch der Gedanke, dass sich hier ein oder mehrere Menschen neue, ungewöhnliche Wohnräume schaffen, fasziniert sie. So ließe sich ein Haus-im-Haus-Konzept vorstellen. Eine interessante Aufgabe für einen Architekten, der einen Weg finden müsste, den offenen Charakter des Raumes zu bewahren und den Blick auf die historische Deckenbalkenkonstruktion nicht zu verbauen. Bliebe der Kirchencharakter erhalten, bekäme das Wort von Weihnachten in der Kirche feiern für die späteren Bewohner einen ganz neuen Sinn.