Der Umbau eines Gewerbehofes am Spritzenplatz sieht neue Wohn- und Gewerbeflächen vor sowie den Bau eines kleinen Hotels.

Hamburg. Jahrzehntelang hatte das Wort "Hinterhof" keinen guten Klang. Hier drängten sich, meist auf engem Raum, Werkstätten und Lagerhäuser. Für die Bewohner der umliegenden Wohngebäude gehörten Lärm, Gestank und Dreck zum Alltag. Das hat sich gewandelt, seitdem Industrie und Handwerk in vielen Stadtteilen auf dem Rückzug sind. In die alten Werkstätten und Fabriken zogen im Laufe der Zeit Agenturen und andere Büros ein oder sie wurden zu Wohnhäusern umgebaut - vorausgesetzt, sie verfügten über den architektonischen Charme der aus der Kaiserzeit stammenden Gebäude. In solch einem Hinterhof zu arbeiten oder zu wohnen gilt als schick.

In eine nostalgisch anmutende Idylle hat der Architekt Jürgen Hansen einen alten Gewerbehinterhof in Ottensen umgebaut. Im "Kastanienhof" an der Kleinen Rainstraße, wie das Gebäudeensemble heute heißt, befindet sich auch sein Büro AG Horizont. "Der Hof war jahrelang Gegenstand spekulativer Interessen mit all den Verunsicherungen und Krisen, die damit verbunden sind", erinnert sich Hansen. Als alteingesessener Ottenser fühlt der Architekt sich verpflichtet, die historischen Schichten der alten Bebauung, soweit es möglich ist, zu bewahren. Das bedeutet aber nicht, dass sie notwendigerweise in ihren Originalzustand zurückversetzt werden. So zeigt sich die alte Wagenremise in einem modernen Gewand.

Erste Aufkleber signalisieren Protest gegen das Bauvorhaben

Bei seinem neuen Projekt, dem Umbau eines Gewerbehofes am Spritzenplatz 5-6 in Ottensen, sind Hansen und seine Büropartner mit einer komplexeren Aufgabe betraut. Hier sollen bis 2012 auf 6000 Quadratmetern neue Wohn- und Gewerbeflächen entstehen. "Das Verhältnis wird 50:50 sein", sagt der Architekt. Bauherr ist die OMI Projektgesellschaft Ottenser Mitte. Zum Projekt gehören auch die Renovierung des gründerzeitlichen Gebäudes Spritzenplatz 5 aus dem Jahre1898 und ein Neubau, der die benachbarte Baulücke schließen soll. Erste Aufkleber an der Toreinfahrt signalisieren Protest gegen das Bauvorhaben. "Leider sind die Aufkleber anonym", bedauert Hansen. Er würde gerne mit den Kritikern sprechen und ihnen erklären, was beim Projekt "Fette-Höfe", wie das Ensemble später heißen soll, geplant ist.

Nach der historischen Bestandsaufnahme stand für die Architekten fest, dass das hintere Gewerbegebäude aus den Jahren 1898 und 1904 sowie die ehemalige Maschinenfabrik "Wilhelm Fette" aus den 1930er-Jahren, deren Werkhallen sich quer über den gesamten Hinterhof legen, erhalten werden sollten. "Die bautechnische Bestandsaufnahme hat dann allerdings ergeben, dass das nicht möglich ist. Die Bausubstanz ist nicht gut genug." Derzeit wird das alte Gebäude noch einigen Künstlern kostenlos für Ausstellungen zur Verfügung gestellt.

Durch den Abriss des Altbaus kann unter den Neubauten problemlos eine große Tiefgarage gebaut werden. "Dabei haben wir allerdings noch ein Problem zu lösen", sagt Hansen. Direkt auf den Hof führt der Notausgang eines benachbarten muslimischen Gebetshauses. Der darf durch die Baugrube nicht versperrt werden. "Wir stehen mit der Gemeinde in Verhandlungen", so Hansen. Er war zum Fastenbrechen eingeladen und fährt demnächst nach Köln, um mit dem Vorstand der Gemeinde eine gemeinsame Lösung zu finden. "Wir haben schon an einen Austausch gedacht. Dann könnten wir den Hof an dieser Stelle erweitern und die Gemeinde bekäme Räume im geplanten Neubauriegel." Sollte der Austausch nicht zustande kommen, möchte Hansen zumindest die den Fette-Höfen zugewandte Rückwand des Gebetshauses neu gestalten dürfen und ihr den Charme der Sechzigerjahre nehmen. "Beim Kastanienhof haben wir auch die Asphaltdecke aus der Nachkriegszeit vom Hof entfernt und das alte Kopfsteinpflaster wieder freigelegt."

Im historischen Gewerbebau wird der Silberschmied weiterhin bleiben

Der Neubau soll sich an den Maßen der alten Gebäude orientieren und ebenfalls in Ziegel gehalten sein. Auch denkt Hansen daran, die alte Pförtnerloge nachzubauen. "Hier könnte ein kleiner Laden eingerichtet werden." In den Gebäuderiegel werden zwei Hausblöcke mit Wohnungen integriert werden. "In einem Haus soll ein kleines, privates Hotel mit elf Zimmern unterkommen", erklärt Hansen. Noch ist nicht ganz klar, ob im historischen Gewerbebau, der erhalten bleiben soll, nur Gewerbe stattfindet. "Der Silberschmied, der hier arbeitet, wird auf jeden Fall bleiben", so Hansen. Er kann sich aber auch vorstellen, dass einige der Gewerberäume zu Wohnungen umgebaut werden.

Wie schon beim Kastanienhof spielen der Umbau und die Lückenschließung der Straßenbebauung eine wichtige Rolle im Gesamtkonzept. Bei der Kastanienallee wurden unter anderem zwei Baulücken in Garagenbreite bebaut. Sie beherbergen heute ein Geschäft und mehrere kleine Büros für Start-up-Unternehmen. In einer größeren Baulücke entstand ein Neubau mit Eigentumswohnungen und einem Geschäft. Im Kellergeschoss wurden zur Hofseite hin große Fenster eingebaut, vor denen sich eine tiefliegende Terrasse erstreckt.

Am Spritzenplatz wird in der Baulücke ein Wohngebäude hochgezogen, durch dessen Treppenhaus auch ein Teil der Wohnungen im benachbarten Altbau erschlossen werden sollen. "Im linken Teil des Altbaus entstehen drei Wohnungen, pro Stockwerk eine Wohnung, die man über den Neubau erreicht." Im rechten Teil des Gebäudes ist ein Stadthaus geplant, das sich über alle drei Stockwerke erstreckt. Hansen gerät beim Anblick des alten Treppenhauses ins Schwärmen. "So etwas sieht man nicht häufig." Ursprünglich war das Gebäude, wie die Architekten herausgefunden haben, als Bankgebäude errichtet worden. Auf dem Gebäude wird zusätzlich eine Dachwohnung mit einem 40 Quadratmeter großen Garten entstehen. Die Dachflächen der Neubauten sollen ebenfalls begrünt werden, allerdings nicht zugänglich sein.

Auf dem autofreien Hof sollen Kinder spielen, umgeben vom Handwerk

In den Fette-Höfen sollen, laut Hansen, Familien mit Kindern wohnen. "Der Hof ist autofrei. Es wird Spielgeräte geben, und ich könnte mir vorstellen, dass es für die Kinder interessant ist, wenn beispielsweise der Silberschmied ihnen zeigt, wie er arbeitet."

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