Stararchitekt Daniel Libeskind entwarf ein Luxus-Fertighaus

In Datteln, am Rande des Ruhrgebiets, steht der Prototyp. Kein Museum und keine Gedenkstätte, die zum Markenzeichen des in New York lebenden Architekten gehören, sondern ein Fertighaus. "Es schaut aber nicht so aus", sagt der 64-Jährige, der mit seinem Entwurf des Jüdischen Museums Berlin und dem Masterplan für Ground Zero weltberühmt geworden ist. Schon von weitem ist der typische Libeskind-Baustil erkennbar: Die Silhouette des zweistöckigen Wohnhauses ähnelt einem Kristall, der aus über- und ineinander geschachtelten Boxen besteht und mit einer silbern schimmernden Zinkfassade überzogen ist.

Libeskind will die Grenzen zwischen Wohnhaus, Museum und Villa auflösen

Kein Zweifel, der Bau ist Blickfang und ästhetisches Experiment zugleich - ein Luxusheim, kein Massenprodukt. Der Grundriss ist alles andere als quadratisch, praktisch, modern. "Die Unterscheidung zwischen einem Wohnhaus, einem Museum und einer schönen Villa wollte ich auflösen - angefangen von einem Kinderzimmer bis zu einem eindrucksvollen Raum, wo man seine Freunde empfangen kann", erklärt Libeskind. Es gibt keinen Mittelpunkt, keinen zentralen Raum. Stattdessen findet man Winkel und große asymmetrische Fensterfronten. Hinter jeder Wand eröffnet sich eine neue Perspektive. "Ich wollte eine Fertighaus-Villa, die man auf einem Lkw verladen und quer durch Europa transportieren und innerhalb kürzester Zeit aufbauen kann", sagt Libeskind. "Es soll eine Seele haben und zudem Erdwärme und Sonnenenergie nutzen."

Das von Libeskind konzipierte Niedrigenergie-Design-Fertighaus ist kein Einzelfall. So entwarf bereits 1997 der renommierte italienische Architekt Matteo Thun für das österreichische Fertighausunternehmen Griffner "O Sole Mio". Das Haus aus Holz und Glas erfreut sich bis heute großer Beliebtheit.

In Deutschland wurden in den letzten zehn Jahren über 180 000 Eigenheime in Fertigbauweise genehmigt. "Bauen mit vorgefertigten Elementen hat Tradition und ist zukunftsträchtig", sagt Dirk-Uwe Klaas, Geschäftsführer beim Bundesverband Deutscher Fertigbau. Immerhin kann das Fertighaus auf eine über 80-jährige Geschichte verweisen, die unter anderem im Dessauer Bauhaus ihren Ursprung nahm. Neben individuellen Grundrissen ist Energieeffizienz dabei wichtiger denn je. Heute werden circa 85 Prozent aller Fertighäuser aus Holz hergestellt. "Als vollständig wiederverwertbares Material ist es nachhaltig und dämmt hervorragend", sagt Thomas Lenzinger, Chef von Griffner-Haus.

Für die internationale Bauausstellung in Hamburg 2013 hat das Unternehmen zusammen mit dem Berliner Architekturbüro Graft ein städtisches Fertighaus entwickelt. Die Idee für die Zusammenarbeit entstand in New Orleans nach dem Wirbelsturm "Katrina". Das Ergebnis der Kooperation ist derzeit nur als virtuelles Modell zu bestaunen: Ein Zweifamilienhaus, das den Anspruch erhebt, architektonische Qualität mit Energieeffizienz und gesunden Materialien zu verbinden. Beim Prototypen, der in Hamburg gebaut werden soll, gehen die Planer von einem großstadttypischen Grundstück von 510 Quadratmetern Größe aus. Äußerlich hat das skulpturale Gebäude nichts mit einem Katalog-Fertighaus zu tun.

Auch Libeskinds Entwurf entspricht nicht der gängigen Vorstellung eines Fertighauses: 515 Quadratmeter Wohnfläche, vier Zimmer, diverse Bäder, Weinkeller, Sauna und eine 100 Quadratmeter große Empfangshalle mit integrierter Küche. Der Käufer kann zwischen zwei Varianten wählen: dem kargen Libeskind-Stil mit weißem Fußboden oder einem weicheren Casual-Stil, bei dem der Architekt den Bewohnern Parkettböden und gedämpftes Licht zubilligt. Dass dies ein Zugeständnis an die zahlungswillige, aber konservative Luxus-Fertighaus-Klientel sei, streitet Libeskind ab: "Wenn jemand ein Marmorbad möchte, dann soll er auch sein Marmorbad bekommen."

Eine limitierte Fertighaus-Serie für einen exklusiven Käuferkreis

Ein Kunstwerk soll das Haus sein, eine Skulptur, sagt Libeskind. Der Preis für das zweistöckige Fertighaus liegt zwischen zwei und drei Millionen Euro - ohne Grundstück. Dass seine Villa eine Antwort auf die Finanzkrise ist, hält Libeskind für Unsinn: "In Krisenzeiten sollte man nicht mittelmäßig werden. Im Gegenteil. Wir haben ja während der Finanzkrise gesehen, dass sehr viel Geld verschwendet wurde, nur um kurzfristige Gewinne zu machen. Jetzt brauchen wir eine nachhaltige Architektur." Vielleicht auch in Hamburg, wo Libeskind sich mit einem Projekt am Rödingsmarkt befasst. Dabei geht es um einen Büroturm und drei gemischt genutzte Hochhäuser im historischen Zentrum von Hamburg. Gegenwärtig herrscht hier an der Westseite des Rödingsmarktes städtebauliche Tristesse.

www.libeskind-villa.com
www.griffnerhaus.com
www.graftlab.com