Familien wollen vermehrt wieder zusammenwohnen. Das Mehrgenerationenhaus könnte eine Lösung sein

Hamburg. Der Vorwurf, sie sei eine Sozialromantikerin, konnte die Architektin Alexandra Czerner vom Büro Czerner Göttsch Architekten nicht davon abbringen, an ihrem Konzept vom Mehrgenerationenhaus festzuhalten. "Als wir uns vor 15 Jahren erstmals damit befasst haben, wurde uns gesagt, Großstädter wollten keine Hausgemeinschaft." Einerseits habe man die Anonymität beklagt, andererseits habe man sie hingenommen. "Wir nicht. Mit dem Hallenhaus , das wir vor zehn Jahren für die Baugenossenschaft Freier Gewerkschafter in Hamm-Süd gebaut haben, haben wir ein Gebäude mit einem Kommunikationsraum entworfen."

Kommunikative Gemeinschaften sind auch positiv für das Quartier

Zum Konzept gehörte, dass ein Teil der Wohnungen schwellenfrei gebaut wurden, sodass verschiedene Altersgruppen dort einziehen und eine Gemeinschaft bilden konnten. Und das haben sie getan, wie der Soziologe Erich Schmidt festgestellt hat, der über dieses Hausprojekt seine Doktorarbeit "Nachbarschaft in der Stadt" geschrieben hat. 90 Prozent der befragten Mieter fanden das Konzept gut.

Es geht der Architektin nicht darum, altersgerechte Wohnungen für Senioren zu bauen, sondern "alternsgerechte", in denen man ein Leben lang wohnen kann. Kommunikative Gemeinschaften seien nicht nur gut für ein Haus, sondern könnten auch positiv auf das Quartier ausstrahlen, ist sich Alexandra Czerner sicher. Letztlich könnte eine Stadt von solchen Projekten profitieren. "Wenn ich es in einer zunehmend multikulturellen und durch Patchwork-Familien geprägten Gesellschaft schaffe, Kommunikationsbereiche anzubieten, kann ich die Defizite der Gesellschaft auffangen."

Viele der Überlegungen, die in ein Mehrgenerationenhaus einfließen, sind nicht ungewöhnlich. Schwellenfreie Wohnungen und Aufzüge gehören inzwischen zum Repertoire vieler mehrgeschossiger Häuser. Ungewöhnlicher ist der Mix von großen und kleinen Wohnungen in einem Gebäude. "Die kleinen Wohnungen, in denen überwiegend ältere Menschen wohnen werden, sollten in den oberen Etagen untergebracht werden, damit man nicht vom Kindergetrampel über einem gestört wird", rät die Architektin. In einem Mehrgenerationenhaus am Tarpenbek-Park in Langenhorn gehören zu den kleinen Wohnungen in den oberen Geschossen auch kleine Dachgärten. "Kleingärten für die Senioren", nennt Alexandra Czerner sie. Offene Grundrisse, die bei vielen Architekten beliebt sind, sind nach Czerners Überzeugung bei den Wohnungssuchenden weniger populär. "Man braucht private Rückzugsräume."

Hier können Frauen auch die Themen Beruf und Familie verbinden

Das A und O eines Mehrgenerationenhauses sind aber die Kommunikationsräume. Das können Außenräume sein oder zusätzliche überdachte Flächen. In einem anderen Projekt, den "Gender Mainstreaming Quartier" am Lohkoppelweg in Eimsbüttel wurde die Idee der Kommunikationsplattform durch ein Intranet erweitert. "In diesem Quartier haben wir uns mit der Frage auseinandergesetzt, wie Frauen Beruf und Familie unter einen Hut bringen können."

"Wir können den Bewohnern immer nur Angebote machen", betont Alexandra Czerner. "Wie sie angenommen und umgesetzt werden, können wir nicht beeinflussen." Die Erfahrungen, die sie mit den vielen gebauten Mehrgenerationenhäusern sammeln konnte, geben ihr recht. "Natürlich gibt es auch Streit. Und natürlich gibt es auch Bewohner, die keine Gemeinschaft wollen. Wichtig ist aber, dass man zu Kompromissen findet." Dabei helfe die Hausgemeinschaft.

Dass Menschen wieder stärker zu Gemeinschaften zusammenrücken, lässt sich nur in Mehrfamilienhäusern beobachten. Auch in vielen Familien erkennt man wieder den Wert solcher engen Beziehungen zwischen den Generationen. "Es gibt immer mehr Familien, bei denen drei Generationen zusammen unter einem Dach leben wollen", sagt Michael Laasch vom Fertigbauanbieter ScanHaus. Neben dem klassischen Doppelhaus, in dem Großeltern, Eltern und Kinder dieses in zwei getrennten Häusern tun, hat sein Unternehmen darüber hinaus Häuser entwickelt, wo das auch übereinander geschehen kann. "Man kann sich das Haus aber so auch umgestalten lassen, dass man sich einen Gemeinschaftsraum teilt, beispielsweise eine Großküche, in der man zusammen kocht und isst."