Der Architekt Albert Erbe schuf als Stadtbaumeister in Hamburg zahlreiche repräsentative Bauten

Hamburg. Als der Architekt Albert Erbe Hamburg 1912 verließ, um in Essen das Amt des "Technischen Beigeordneten" für den Hochbau anzutreten, war er zutiefst verbittert. Zehn Jahre lang hatte er in der Hansestadt als Stadtbaumeister im Hochbauamt zahlreiche Staatsbauten geschaffen, die noch heute das Stadtbild Hamburgs prägen. Darunter waren das Völkerkundemuseum, die Navigationsschule in St. Pauli (heute Deutscher Wetterdienst), die Steuerverwaltung (heute Oberfinanzdirektion) am Rödingsmarkt, die Feuerwehrwache an der Admiralitätsstraße, das botanische Institut (heute Bucerius Law School) und der Erweiterungsbau der Börse - nicht zu vergessen seine vielen Schulbauten. Zu den bekanntesten zählen das Helene-Lange-Gymnasium, das Gymnasium Kaiser-Friedrich-Ufer und die Handelsschule am Holstenwall.

Erbes Vorgesetzter, der Baudirektor Carl Zimmermann, hatte ihm viele Freiheiten gelassen, und Erbe hatte ihn nicht enttäuscht. Umso enttäuschter war er selbst, als nicht er 1909 Zimmermanns Nachfolge antreten durfte, sondern Fritz Schumacher als neuer Baudirektor berufen wurde. Und der hielt Erbe an der kurzen Leine, ließ ihn keine eigenen Entwürfe mehr umsetzen. Erbe durfte nur noch mitarbeiten.

Erbe orientierte sich am Heimatstil mit historisierendem Gepräge

Fritz Schumacher wird das Verdienst zugeschrieben, mit seinen Bauten das rote Backstein-Hamburg geschaffen zu haben. Tatsächlich hatte schon Albert Erbe viele seiner repräsentativen Bauten mit unverputzten Backsteinen bauen lassen. Allerdings in einem anderen Baustil als Schumacher. Erbe orientierte sich am Heimatstil und gab seinen Bauwerken ein altertümlich-historisierendes Gepräge. Er baute häufig im Stil des Neobarocks oder der Neorenaissance. Erbes Liebe galt dem althamburgischen Bürgerhaus, über das er auch ein Buch geschrieben hat. In der modernen Stadt- und Verkehrsentwicklung sah er weniger eine notwendige Entwicklung, die es zu gestalten galt, sondern vielmehr bedauerte er den "steten Verlust an unwiederbringlichen Werten". Er musste mit zusehen, wie das alte Stadtbild in der "Freien und Abrissstadt Hamburg" Stück für Stück verloren ging. Und er hielt mit seinen Gebäuden dagegen, bemühte sich, das Verlorene zumindest als Zitat zu bewahren. Doch auch wenn er sich dabei architektonisch an vorindustriellen Vorbildern orientierte, waren seine Gebäude dennoch funktionell und den Anforderungen der Moderne gewachsen.

Zu den Bauten, die seinen Baustil charakterisieren, gehört die Polizeiwache am Klingberg, die er 1906-08 baute. Damals war das Gängeviertel der Altstadt noch nicht abgerissen, und die neue Polizeiwache, die im Stil eines althamburgischen Bürgerhauses mit barockem Giebel und Fassadenschmuck gebaut wurde, passte sich harmonisch in die Umgebung ein. Dabei war es zwischen den kleinen historischen Häusern der Altstadt ein verhältnismäßig großes, hohes Gebäude. Neben der Polizei waren hier auch die Landherrenschaften untergebracht. In den beiden Obergeschossen und im Dachgeschoss des vierstöckigen Hauses befanden sich die Dienstwohnungen der Polizisten.

Die wenigen erhaltenen Originale aus der Barockzeit, an denen sich der Bau orientierte, standen damals am Grimm und auf dem Cremon. Sie wurden erst im Zweiten Weltkrieg zerstört. Aber auch am Klingberg stand in unmittelbarer Nähe zur neuen Polizeiwache noch ein kleines barockes Haus. Es wurde erst 1913 eingeebnet, da es auf dem Baugrund des Chilehauses stand.

Ein Baustil als Bindeglied zwischen alter und moderner Architektu r

Mit dem Abriss des Gängeviertels und dem Bau des Kontorhausviertels blieb am Klingberg einzig Albert Erbes historisierender Neubau als Solitär aus einer anderen Zeit erhalten - gleichsam ein Bindeglied zwischen der alten und der modernen Architektur. Und dieses Gebäude sollte jetzt, 1921, von drei Seiten vom neuen, gigantisch großen Chilehaus umschlossen werden - eine Herausforderung auch für dessen Architekten Fritz Höger.

Neben der gewaltigen Masse des dunklen Chilehauses mit seinen expressionistischen Formen und Verzierungen, das mit einem Schiff verglichen wurde, konnte das hohe, hellere Gebäude von Erbe im rückwärtigen Bereich des Chilehauses seine eigene Identität bewahren. Betrachtet man Erbes Bauten wie die Navigationsschule oder die Feuerwehrwache an der Admiralitätsstraße, kann man erahnen, wie er das Grundstück des Chilehauses überplant hätte: An die Polizeiwache hätte sich wohl ein neobarockes Kontorgebäude angeschlossen, neben dem das kleinere Haus wohl eher "untergegangen" wäre.