Das Architekturbüro eins:eins holt auch bei mehrgeschossigen Gebäuden die Natur ins Haus

Im Hinterhof zwischen trostlosen Mauern sind Balkone voll mit Pflanzen, grün und üppig. So die Vision. Sie bescherte Julian Hillenkamp und Christoph Roselius bei ihrer Teilnahme an dem Ikea-Wettbewerb "Gärten für alle" den ersten Platz. "Es war unser erstes Projekt, nachdem wir 2007 mit unseren Architektenbüro eins:eins hier in Eimsbüttel eingezogen sind", sagt Roselius. "Wir haben auf den Hinterhof gesehen. Er sah grau und trostlos aus, und wir hatten die Idee, es müsste etwas Schöneres geben als diese Balkone, die wie Käfige an den Hauswänden kleben."

Die Architekten, 40 und 41 Jahre alt, sind beide verheiratet, haben Kinder. "Wir wohnten mit unseren Familien in der Stadt. Wenn wir ins Grüne wollten, mussten wir auf den Spielplatz", sagt Roselius. Das Duo entwickelte einen Balkon zum nachträglichen Anbau mit einem Boden, der aus Wannen besteht. Diese lassen sich nach Lust und Laune nutzen: Zum Bepflanzen, Buddeln - um einen Teich darin anzulegen - oder um sie mit Holz zu belegen als Terrasse. Tatsächlich gebaut wurden die Balkone jedoch nicht: "Das Problem war die Investition", sagt Hillenkamp, "für unsere Erfindung war ein neues Material erforderlich, das zugleich dünn, leicht und stabil sein musste." Unternehmen hätten zwar Interesse gezeigt, seien aber am Ende vor der Investition zurückgeschreckt.

Hillenkamp und Roselius entwickelten andere Projekte. Sie bauten Bürohäuser und renovierten Villen, sie gestalteten die Innenräume einer Werbeagentur und eines Restaurants. Und sie gewannen Preise: Zum Beispiel 2007 den vierten Platz für die Neugestaltung des Grünzugs Altona, wo sie versuchten, den Raum für Besucher nutzbar zu machen. Oder 2008 den zweiten Preis für das "Haus der Projekte" in Wilhelmsburg, ein IBA-Wettbewerb. In demselben Jahr gewannen sie auch den ersten Preis für ihr Konzept zur Neugestaltung des Stadtkerns von Mellrichstadt, einem Ort in Franken. Dort gestalteten sie den Marktplatz und die Hauptstraße um und entwarfen eine neue Gasse.

Doch das Thema Mensch und Natur sowie Gärten im Geschossbau beschäftigte Hillenkamp und Roselius weiter. "Die Natur spielt in der Architektur eine zentrale Rolle", sagt Roselius, "sie definiert die Schnittstelle zwischen unserem Bedürfnis, die Natur auszugrenzen oder sie ins Haus zu holen."

Die Architekten abstrahieren die Formen von Pflanzen oder Wolken und setzen sie in Kontrast zu starren geometrischen Strukturen der Architektur. Es ist der Versuch, zwischen Freiheit und Starrheit der Form eine Balance zu finden. Oder die "Landschaftlichkeit in die Stadt zu holen, da heute mehr Menschen in der Stadt leben als auf dem Land", so Hillenkamp. Auch deshalb treiben sie die Idee der begrünten Balkone weiter: Als einer von sieben Finalisten belegte das Büro beim Wettbewerb "Smart Material Houses" der Internationalen Bauausstellung (IBA) Hamburg den ersten Rang. Damit ist das Green House zum Bau im Zentrum der IBA 2013 qualifiziert. Smart Material Houses sollen Bauten sein, die naturfreundlich sind, indem sie moderne Technik, Materialien und Konstruktionen verbinden. Ziel ist die Verbesserung der ökologischen Bilanz.

Das Green House ist ein nach Süden hin gebauter Massivholzbau. Photovoltaik und Solarthermie auf dem Dach sorgen für elektrischen Strom und Wärme. Das Besondere sind die Gärten: Auf allen Etagen sind vor den Wohnungen Gärten angebracht, auf jedem Stockwerk versetzt, so dass Sonne und Regen auf die Pflanzen fallen können. Vor den Gärten ist eine Glasschicht angebracht, die vor der Witterung schützt und nach Gefallen hoch- und heruntergefahren werden kann: An warmen Tagen wird so der Gartenbereich ganz zum Wohnraum hin geöffnet. "Die Pflanzen verbessern das Raumklima", ist Hillenkamp überzeugt.

"Durch den Schutz der fahrbaren Fenster können auch empfindliche Gewächse wie Zitronenbäume hier wachsen." Damit die Gartenzone kühl bleibt, sind die Gläser dort, wo es die Sicht nicht stört, mit einer selbst regulierenden Beschichtung versehen. Wird es warm, wird das Klarglas leicht milchig und streut das Licht. "Wir haben das Green House so konzipiert, dass es sich selbst weitgehend mit Energie versorgt und die modernsten nachhaltigen Materialien dafür ausgewählt", sagt Roselius. "Dabei ist das Gebäude universell einsetzbar. Ein Investor kann selbst entscheiden, wie viele Etagen entstehen sollen und wie die Wohnungen aussehen werden."