Über den aktuellen Nutzen des Energieausweises gibt es uneinheitliche Einschätzungen

Vor gut zwei Jahren wurde der Energieausweis in Deutschland schrittweise eingeführt, seit Januar 2009 ist er für Gebäude, die nicht unter Denkmalschutz stehen, verpflichtend. Er muss bei Verkauf, Neuvermietung oder Neuverpachtung vorgelegt werden, wenn dies von Miet- oder Kaufinteressenten gewünscht wird. Doch bereits hier beginnen die Probleme. Während Heinrich Stüven, Vorsitzender des Grundeigentümerverbandes Hamburg, feststellt, dass "der Ausweis am Wohnungsmarkt so gut wie keine Rolle spielt", halten Interessenvertreter der Mieter dagegen. "Er würde eine Rolle spielen, wenn er von den Vermietern nicht erst auf Wunsch von Mietinteressenten vorgelegt werden müsste", sagt Eckard Pahlke, Vorsitzender des Mietervereins zu Hamburg. Insofern begrüße er die für 2012 geplante Novellierung der Energieeinsparverordnung, wonach Vermieter dann verpflichtet werden, den Energieausweis auch unaufgefordert vorzulegen. "Aktuell ist es so, dass diejenigen, die den Energieausweis einsehen wollen, als Bewerber für eine Wohnung das Nachsehen haben. Sie geben sich als kritisch denkende Menschen zu erkennen." Das belege eine Untersuchung des Deutschen Mieterbundes in Berlin, bei der 80 Prozent der vermeintlichen Mietinteressenten abgelehnt worden seien, nachdem sie zuvor den Ausweis einsehen wollten.

Unterschiedlich bewerten beide Interessenvertreter auch die Aussagekraft des Ausweises. Pahlke: "Der Pass ist wichtig, weil er dem Mieter eine Auskunft darüber gibt, von welchen Kosten er bei der ersten Betriebkostenabrechnung auszugehen hat. Beim Autokauf will man schließlich auch wissen, ob es sich um eine Benzinschleuder handelt."

Stüven weist hingegen auf das "duale System" hin, wonach zwischen Bedarfs- und Verbrauchsausweis unterschieden wird. "Der Verbrauchsausweis sagt nichts über den Zustand der Immobilie aus, sondern mehr über das Heizverhalten der bisherigen Bewohner." Beim Bedarfsausweis fehlten wiederum die Standards, sodass eine Vergleichbarkeit zwischen den Gebäuden nicht gewährleistet sei. "Je nachdem, wie intensiv die Bausubstanz des Gebäudes untersucht wird und der Eigentümer bereit ist, Geld für die Begutachtung der Immobilie zu investieren, fällt auch die Qualität des Ausweises aus." Zwar begrüße er, dass mit dem Energieausweis Wettbewerb in den Wohnungsmarkt komme, insgesamt aber gehe die vom Gesetzgeber angedachte Verbrauchernorm an der Realität vorbei. "Wer in der Langen Reihe in St. Georg wohnen möchte, wird sich nicht für ein Passivhaus in Wilhelmsburg entscheiden", sagt Stüven. Fakt ist: Wird die Einsichtnahme in den Energieausweis schon jetzt nicht ermöglicht, kann die zuständige Bauaufsichtsbehörde ein Bußgeld von bis zu 15 000 Euro verhängen.