Verband mahnt Bauherren, unbedingt Fluchtwege einzuplanen

Viele der heutigen Neubauten bestehen aus dünnen tragenden Außenwänden und einem darauf montierten Wärmeverbundsystem. "Rund 80 Prozent der Neubauten erreichen die gesetzlich geforderten Energiewerte mithilfe einer Vorsatzschale aus Polystyrol", sagt Reimund Stewen, Vorstandsmitglied des Verbands Privater Bauherren (VPB). "Dieser Wandaufbau ist heute Standard." Problem nur: Diese speziellen Wärmedämmverbundsysteme sind in Verruf geraten, da sie schneller als bislang vermutet Feuer fangen können. "Wenn Polystyrol brennt, dann schwelt es großflächig, schmilzt und tropft von der Fassade", sagt Bausachverständiger Stewen. "Dieses flüssige Material behindert die Feuerwehr beim Löschen und die Bewohner beim Verlassen der Brandstelle."

Außerdem, und das ist ebenso problematisch, setzt das brennende Material chemische Verbindungen frei, die Fachleute als extrem giftig einstufen. "Der private Bauherr kann wenig tun, zumal, wenn er beim Schlüsselfertiganbieter kauft. Und das ist heute üblich, denn viele Kommunen vergeben Baugrund nur noch an solche Entwickler", sagt Stewen. "Der Bauträger bietet in der Regel die preiswerteste Lösung an, und die besteht nun einmal aus 17,5 Zentimeter dickem Kalksandsteinmauerwerk mit einer zwölf bis 20 Zentimeter dicken Vorsatzschale aus Polystyrol." Andere Systeme seien meist nicht vorgesehen. Wenn der Bauherr eine Alternative suche, müsse er individuell planen, und das sei oft die Ausnahme.

Nach Einschätzung des Verbands Privater Bauherren ließe sich die Gefahr durch bestimmte Sonderbauteile jedoch reduzieren. Dabei handelt es sich um etwa zehn Zentimeter breite Streifen aus Mineralwolle, die oberhalb von Türen und Fenstern in die Wärmedämmung eingebaut werden. "Dadurch soll das Eindringen des Feuers in die Polystyrolschale verhindert werden", sagt Stewen. Er gibt aber gleichzeitig zu bedenken: "Diese Bauteile sind im Einfamilienhaus brandschutztechnisch nicht vorgeschrieben. Schlüsselfertiganbieter müssen sie deshalb auch nicht einbauen. Käufer, die sie dennoch haben wollen, bezahlen dafür zusätzlich etwa 5000 Euro pro Haus."

Auch wenn das Wärmedämmverbundsystem aus Polystyrol heute üblich ist, so gibt es doch Alternativen, die in Herstellung, Dauerhaftigkeit und Entsorgung besser dastehen als das gängige Material. Zum Beispiel andere, weniger schnell brennende und in ihren Ausdünstungen nicht so giftige Wärmedämmungen wie etwa Mineralwolle.

Auf einen Punkt sollte jeder Bauherr und Käufer eines schlüsselfertigen Objekts bestehen: den zweiten Fluchtweg. Er ist in den meisten Landesbauordnungen vorgeschrieben, wird aber nach Erfahrung des VPB oft ignoriert. "Wenn es brennt, sind die Treppenhäuser schnell verqualmt", warnt Stewen. Zuflucht und Rettung könne ein Fenster oder Balkon zur Straße hin bieten. Auch im Dach sollte ein entsprechend großes Fenster zur Straße hin vorgesehen werden, damit Bewohner im Notfall von der Feuerwehr hier geborgen werden können. Aus dem Keller sollten sich die Bewohner über eine Außentreppe oder einen ausreichend großen Kellerlichtschacht retten können.

"Wir Bauherrenberater sind immer wieder überrascht, wie wenig viele über Wandaufbauten, Baustoffe oder Fluchtwege wissen", sagt der Bausachverständige. Auch Brandmelder fehlten in vielen Neubauten. Stewen rät: "Jeder sollte sich so umfassend beraten lassen wie zum Beispiel beim Kauf eines ungleich preiswerteren Autos."

www.vpb.de