Klassisches Strickhandwerk hat sich einen festen Platz im modernen Möbeldesign erobert. Einiges eignet sich sogar für draußen.

Teppiche aus Schiffstauwerk, Fußablagen aus recycelten Kletterseilen, gestrickte Lampenschirme oder kreative Strick-Überzüge für Ohrensessel: Maschenware für alle Wohnbereiche hat sich einen festen Platz im Produktangebot des Möbelhandels ergattert. Angefangen von Hussen bis hin zu wetterfesten Garten-Möbeln.

"Der Trend zu Maschen-Möbeln und Wohnaccessoires hat sich seit seiner Boomzeit vor einigen Jahren erfolgreich als Nischensegment mit wachsender Akzeptanz etabliert", sagt Ursula Geismann vom Verband der Deutschen Möbelindustrie.

Als wesentlichen Grund für den Erfolg von Möbeln mit Strick sowie gestrickter Accessoires sieht Geismann die steigende Vorliebe für haptisch und optisch anspruchsvolles Gewebe mit "Gemütlichkeits- und Wärmefaktor".

Bei Sitz- und Polstermöbeln dominieren Modelle mit weichen, oft aufwendig gewirkten Oberflächen aus Strukturgeweben in gedeckten Farbtönen wie Wollweiß oder Anthrazit. "Die strahlen eine edle, gediegene Wärme aus und geben dadurch dem Raum per se eine entspannte Atmosphäre", sagt Möbel-Fachmann Christoph Berns, Produktmanager der Garant-Möbel-Gruppe. Einfache Bezugsstoffe oder Leder träten dagegen etwas in den Hintergrund.

Die Sehnsucht nach traditioneller Handarbeit und damit "echten Werten" sehen Branchenkenner als weiteren Grund für den Siegeszug der Maschenkunst im Wohnbereich. Hier allerdings geben sich die meisten Käufer bewusst einer Selbsttäuschung hin, wie Volker Hartmann vom Möbelhaus Scala Wohnen beobachtet hat: "Sie wissen natürlich, dass nur wenige Spitzenprodukte wirklich handgefertigt sind, aber die Illusion, das Teil hätte auch ihre Oma für sie stricken können, reicht schon."

Ob Maschenware von Hand oder als Massenware vom Band: Ein Streifzug durch die Ausstellungen verschiedener Einrichtungs-Häuser offenbart ein facettenreiches Produkt-Spektrum an Strick- , Häkel- oder Flechtwerk.

Eine Ikone der Maschen-Möbel begegnet dem Besucher bei Scala Wohnen in Gestalt des "Knotted Chair", den der niederländische Designer Marcel Wanders im Jahr 1996 für Capellini geschaffen hat. Das lichte, offene Geflecht aus kunstvoll verknoteten und mit Epoxydharz beschichteten Faserkordeln (Preis: etwa 2700 Euro) stellt für Volker Hartmann den geistigen Vorläufer und Wegbereiter des Maschen-Trends dar. "Damit wurde eine ganz neue Ästhetik begründet, die sich bis heute in vielen Varianten weiter ausgeprägt hat", so der Wohnexperte.

Weniger ikonenhaft, dafür optisch fast ebenso spektakulär präsentiert sich ein mit wollweißem Grobstrick ummantelter Ohrensessel in der Ausstellung des Einrichtungshauses Die Wäscherei. Durch seine ganz und gar ungewöhnliche Anmutung wirkt das Stück so exotisch, als hätte sich das letzte Einhorn in einer Herde von Bergziegen verirrt. Denn der Designer hat es nicht bei einer einfach gestrickten Oberfläche bewenden lassen. Aufwendige Verzierungen mit plüschigen Strickbommeln baumeln am Sessel herunter oder verzieren sogar die Sitzfläche - und sind damit offenbar eine ironische Referenz an die längst verwehte spießig-schwermütige Opulenz der Gründerzeit.

An diesem "Hingucker" (etwa 1300 Euro) zeigt sich exemplarisch auch die Fragilität der Branche, wenn es um die schnelle Vermarktung neuer Wohn-Trends geht: "Der Sessel stammt von einem sehr kleinen französischen Importanbieter", sagt Einrichtungsberater Kaj Pehlke von der Wäscherei und deutet damit auch die schwierige Vermarktung ausgefallener Stücke an.

Einfacher gestrickt und damit wohl langlebiger ist die Sessel-Kollektion "Jumper" aus der Manufaktur Established Sons. Das moderne Design in Verbindung mit Bezügen aus weichem, dabei strapazierfähigem Industrie-Strick in verschiedenen Muster- und Farbkombinationen verbindet Funktionalität mit Wärme auf unangestrengte Weise. "Diese Stühle haben eine eigene Persönlichkeit, drängen sich aber nicht auf. Damit lassen sie sich in fast alle Wohn-Bilder integrieren", sagt Einrichtungsberater Heiko Hoops von Gärtner Internationale Möbel.

Ursprünglich und ebenfalls "handmade" sind die grob gestrickten Lampenschirme der Serie "Granny" von Casamania, die in mehreren Farben sowie zwei Größen erhältlich sind. Besonders auch für Accessoires eignet sich Gestricktes. Je nach Strickart und Materialstärke lassen sich vom Kissen bis zur kleinen Kaffeemütze viele Wohngegenstände einpacken. So hat die englische Designerin Anette Bugansky Vasen oder Schalen durch verschiedene Strick-Optiken verschönert, die im Einrichtungsgeschäft Richard angeboten werden. Das alltagstaugliche Teeservice "Laine Blanche" (ASA-Selection) greift den Maschen-Trend in Form eines realistisch anmutenden Strickreliefs sogar noch auf.

Ein Hingucker sind auch die bunten Sitzpuffs Picot (ab 618 Euro), entworfen in 20 Farben von der Designerin Paola Lenti. Sie werden in unterschiedlichen Materialien angefertigt - aus einem dickeren Wollgarn für den Innenbereich oder einem synthetischen Seil (Rope) für draußen. Beide Ausführungen haben eine Füllung aus kleinen Polystyrolkugeln. Eine besondere Ummantelung der Kugeln verhindert ein Zusammenkleben durch Feuchtigkeit. Regenwasser kann also eindringen und fließt ungehindert wieder raus. Angeboten werden sie rund in zwei Durchmessern (60 und 43 Zentimeter) und eckig (60 mal 60 Zentimeter).

Insgesamt dürfte es mit dieser Optik in der kommenden Saison farbenfroher zugehen, wie Trend-Experte Christoph Berns prophezeit: "Bei den Bezugsstoffen bekommen wir es mit sehr klaren, leuchtenden Grundfarben zu tun, vor allem Blau und Rot werden eine große Rolle spielen." Das bedeutet: Strick-Möbel bringen in Zukunft nicht nur Wärme, sondern vor allem Optimismus ins Haus. Beides dürfte sich gut verkaufen.