Originale Stücke aus der Entstehungszeit werden heute teilweise nach Rang und Preis wie Kunstwerke gehandelt

Vor zwei Jahren feierte der als internationale Ikone des Designs geltende, 1958 vom dänischen Architekten Arne Jacobsen entworfene Egg-Chair seinen 50. Geburtstag. Zu diesem Anlass entwickelte der Hersteller Fritz Hansen ein Jubiläumsmodell des Klassikers, das in einer limitierten Auflage von 999 Stück produziert wurde. Ausgestattet mit einer Rückseite aus schokoladenbraunem Wildleder, einer Front aus dunklem Glattleder und einem Sockel aus Bronze erhielt der Sessel einen neuen Anstrich. Der Jubiläumssessel, der für rund 9000 Euro verkauft wurde, war innerhalb weniger Monate ausverkauft. Mittlerweile haben Designliebhaber großes Glück, wenn sie eines der Modelle überhaupt und obendrein für weniger als 12 000 Euro erstehen können.

Es gibt viele gute Möbelentwürfe, aber nur wenige, die Geschichte schrieben und wie der Egg-Chair echte Klassiker wurden. Dazu zählen zum Beispiel das Sofa Conseta von Cor, der über 150 Jahre alte Kaffeehausstuhl 214 von Michael Thonet, der berühmte Freischwinger von Marcel Breuer oder der Barcelona-Chair, den Knoll International heute vertreibt. Kultstatus genießt auch seit vielen Jahren die legendäre Corbusier-Liege LC4. Mit ihrer Symbiose aus Funktionalität und Ästhetik scheint sie ein Produkt unserer Zeit zu sein - tatsächlich aber entwarf der Schweizer Architekt den Klassiker in den 1920er-Jahren. Begeisterung rief Le Corbusier mit seinen schlichten Möbeln damals nicht hervor. Er strebte - wie seine Kollegen am Bauhaus - mit der Reduzierung auf das Wesentliche eine Versöhnung von Kunst und Technik an: Die Möbel sollten einfach in Serie hergestellt werden und moderne Ästhetik für jedermann erschwinglich machen. Anfang der Sechzigerjahre grub der italienische Hersteller Cassina die Entwürfe wieder aus und sicherte sich ein Jahr vor Le Corbusiers Tod 1964 die weltweit gültige Exklusiv-Lizenz für dessen Möbel. Begehrte Möbelklassiker sind weiterhin der Panton-Stuhl aus dem Jahr 1960 sowie das USM-Regalsystem von Fritz Haller.

Trotz des teilweise mehr als 100 Jahre alten Designs der Möbelklassiker sind die einzelnen Entwürfe noch immer frisch genug, um sich nach wie vor erfolgreich zu verkaufen. Das liegt vor allem an ihrer Gradlinigkeit, an ihrer Purheit und Präsenz. "Vor allem aber sind Möbelklassiker zeitlos und über Jahrzehnte hinweg trotz wechselnder Modetrends immer modern", sagt Jens Hausmann von Cramer Möbel und Design.

Zu den Designklassikern, die heute noch und vereinzelt in abgewandelter Form produziert werden, zählt auch der Lounge Chair aus dem Jahr 1956. Charles und Ray Eames definierten ihn ursprünglich in dunklem Furnier und schwarzem Leder, variierten ihn jedoch schon früh in einer Version mit hellen Lederpolstern. Die Neuinterpretation des Lounge Chair von Vitra knüpft hier an: Mit weißpigmentiertem Nussbaumfurnier, poliertem Aluminium und weißem Leder ist der Klassiker heute in einer auf helle Interieurs abgestimmten Version erhältlich. Darüber hinaus gibt es den Lounge Chair in einer Version, die auch groß gewachsenen Menschen maximalen Komfort ermöglicht.

Ein Möbelklassiker ist längst auch der um 1926 vorgestellte Beistelltisch von Eileen Gray, produziert und vertrieben durch ClassiCon. Trotz Nutzung moderner Fertigungsmethoden und Materialien bemühen sich die Hersteller der Re-Editionen um größtmögliche Authentizität. Diese soll durch Stempelprägungen auf den Möbeln und Identitätsausweise bezeugt werden. "Sollte einmal ein neuer Bezug oder ein Ersatzteil benötigt werden, erhalten Käufer diese ohne Probleme. Das macht die Originale so nachhaltig und wertvoll", ist Heyco Hoops von Gärtner Internationale Möbel überzeugt.

Wie Oliver Diekert, Filialleiter vom Auktionshaus Lauritz berichtet, sind viele Liebhaber besonders auf gut gepflegte Originalstücke aus der Entstehungszeit aus. "Diese haben teilweise den Rang und den Preis von wahren Kunstwerken. Vor allem Stücke, die nicht mehr produziert werden, sind eine gute Geldanlage", so die Erfahrung des Design-Experten.

Viele Klassiker wie zum Beispiel der Ameisenstuhl von Arne Jacobsen werden mittlerweile kopiert und günstig im Internet angeboten. Vor allem in Italien gelten industriell gefertigte Produkte wie Möbel, anders als in Deutschland, nicht als Kunstwerke. Sie fallen dort deshalb nicht unter den Urheberschutz. "Das gute Gefühl und die Wertbeständigkeit sind jedoch nur bei den Originalen gegeben", sagt Jens Hausmann. Auch Hans-Jürgen Marx vom Einrichtungshaus m04 warnt vor Plagiaten. "Nur bei Originalen handelt es sich um bleibende Werte, die immer gefragt sind. Auch die Wertsteigerung sollte man nicht außer Acht lassen. Manche Käufer von Originalen sehen neben dem ästhetischen Aspekt auch die Wertsteigerung, das Möbel also als gut angelegtes Kapital", sagt Marx.

"Wohndesign Deutschland. Die Klassiker" von Bernd Polster, Dumont-Verlag, 572 Seiten, 29,90 Euro, ISBN 3832177671

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