In Berlin oder Wien werden sie bereits als Ausweichflächen im öffentlichen Raum genutzt. Doch es gibt Hürden.

Hamburg. "Das Dach ist die fünfte Fassade eines Hauses", sagt die Architektin Ingrid Spengler, die für die Schule der HafenCity eine Spielfläche auf dem Dach entworfen hat. Es sei deshalb schade, wenn Flachdächer in eng bebauten Gebieten nicht genutzt würden. Auf einer Veranstaltung des Kultwerks West zum Thema "Dachgärten" diskutierte sie mit Fachleuten, wie man einen Dachgarten anlegen kann, auf dem sich sämtliche Bewohner eines Hauses im Sommer erholen können.

Eigentlich kein Problem, meinte Silke Kolwitz vom Berliner Verein "Dachgärten für alle" und präsentierte Zeichnungen, wie sie sich eine Dachlandschaft mit geschlungenen Wegen, Sitzecken und kleinen Beeten vorstellt. Zeichnungen seien das eine, die Umsetzung aber mitunter etwas vollkommen anderes, konterte die Hamburger Architektin Ingrid Spengler, die sich mit ihren Vorschlägen, kleine Gebäude - sie spricht von "Parasiten" - auf die Dächer von Bestandsgebäuden zu setzen, bei den Genehmigungsbehörden nicht durchsetzen konnte. "Wenn man auf ein Bestandsgebäude mit Flachdach einen Garten anlegen möchte, müssen zunächst einmal sämtliche Rahmenbedingungen geklärt werden", unterstreicht die Planerin. Das erstrecke sich von der Tragfähigkeit des Daches über den Schallschutz, die Wärmedämmung und die Wasserableitung bis hin zum Brandschutz. Und dann sei immer noch ungewiss, ob die Genehmigungsbehörde mit dem Plan einverstanden sei.

Will man auf einem Altbaudach einen Dachgarten anlegen, muss die Konstruktion in der Regel verstärkt werden, damit sie pro Quadratmeter ein Gewicht von 100 Kilogramm und mehr tragen kann. Anstelle der Dachpappe, mit denen viele alte Flachdächer gedeckt sind, muss der Untergrund mit einem wasserdichten Schutz aus mehreren Lagen beschichtet werden. Die oberste Schicht muss nicht nur druckfest sein, sondern auch fest genug, damit sie nicht vom Wurzelwerk kleinerer Bäume oder Sträucher beschädigt werden kann. Die Dränage muss so angelegt sein, dass überschüssiges Wasser nicht nur ablaufen kann, sondern auch verhindert wird, dass Pflanzen- und Erdreste die Rohre verstopfen.

Bei Dachgärten auf hohen Häusern sei zudem noch zu bedenken, dass der Wind die Erde von den Beeten wehe und diese deshalb besonders geschützt werden müsste, wie Landschaftsarchitekt Dieter Schoppe auf ein weiteres Problem hinwies. Stimmten die Rahmenbedingungen jedoch, böte ein Dachgarten den Nutzern nicht nur eine grüne Erholungsfläche, sondern auch eine zusätzliche Dämmschicht für das Gebäude. Wesentlich einfacher als der Umbau eines Altbaus sei dagegen, Dachgärten für Neubauprojekte zu entwerfen. Das ist längst nichts Ungewöhnliches mehr.

Allerdings, so der Einwand von Silke Kolwitz, seien sie in der Regel an eine Penthouse-Wohnung gebunden und für die anderen Bewohner des Hauses nicht zu betreten. Als Nachbarschaftstreff stünden sie nicht zur Verfügung. Die aber seien notwendig, weil in der Stadt durch Neubauprojekte immer mehr öffentliche Grünflächen verloren gingen.

Beispiele aus New York, Wien und Berlin zeigten, dass die Vision von öffentlichen Dachgärten in der Stadt umsetzbar seien, betonte die Designerin Isabel Liebmann, die sich in ihrer Bachelor-Arbeit "On Top" mit dem Thema befasst hat. Sie plädierte für einen Dachgarten, der sich über mehrere Dächer erstreckt und nicht nur als Nachbarschaftstreff für eine Hausgemeinschaft fungiert, sondern als Treffpunkt für die Bewohner einer ganzen Straße. Diesen Vorschlag mochte Friedo Wiescholek, Partner im Büro Spengler-Wiescholek, nicht unwidersprochen lassen. Der öffentliche Raum sei der Straßenraum und nicht Dachlandschaften im vierten oder fünften Stock. Außerdem habe die Erfahrung mit öffentlichen Dachgärten gezeigt, dass sie nach einer euphorischen Anfangsphase häufig in den darauffolgenden Jahren verödeten. Bei privat genutzten Dachgärten sei das in der Regel nicht zu erwarten.