Lüften über Fenster ist hier tabu. Eine Anlage sorgt dafür, dass warme Abluft der Frischluft zugeführt wird.

Hamburg. Dieser Winter war schneereich und bitterkalt. Alle waren froh, wenn sie abends wieder in ihrem warmen Zuhause waren. Unter ihnen auch Rüdiger Steiff - und das, obwohl seine Wohnung keine Heizung hat. Er wohnt in einem Mehrfamilien-Passivhaus in Ottensen. Passivhäuser werden nicht aktiv beheizt. In ihnen ist es warm, weil die warme Abluft der Zimmer bei der Frischluftzuführung zurückgewonnen wird. "Das funktioniert wunderbar", sagt Rüdiger Steiff. "Wir hatten immer angenehme Temperaturen und haben uns nie unwohl gefühlt."

Vorher hatte er in einer über 100 Quadratmeter großen Wohnung in Eimsbüttel mit einer Raumhöhe von 3,10 Meter gewohnt, die konventionell beheizt wurde. "Als ich von dem Bau dieses Hauses gehört habe, war ich sofort interessiert, nicht nur, weil es in Ottensen steht." Freunde, die Architekten sind, überzeugten ihn, dass Passivhäuser technisch ausgereift sind und problemlos funktionieren. Vorausgesetzt, die Bewohner halten sich an bestimmte Regeln.

Wie man in und mit einem Passivhaus wohnt, wurde den Mietinteressenten von den Architekten des Büros "Huke-Schubert Berge Architekten" und dem Bauherrn, dem Altonaer Spar- und Bauverein, erklärt. Dazu Steffen Berge: "Diese Regeln gelten nur in den Jahreszeiten, in denen man konventionell gebaute Häuser heizen muss. Die wichtigste lautet: Nicht über die Fenster lüften." Kein Problem, hat Rüdiger Steiff schnell gemerkt: "Eine Anlage sorgt für eine Luftzirkulation, sodass man selbst morgens nach dem Aufwachen nicht das Bedürfnis hat, das Fenster aufzureißen."

Damit die Bewohner gar nicht erst in Versuchung kommen, das ausgeklügelte System durch Dauerlüften außer Kraft zu setzen, haben die Architekten Fenster einbauen lassen, die man nicht "auf Kipp" stellen kann. "Natürlich darf man ein Fenster für kurze Zeit öffnen, wenn man das Bedürfnis hat", sagt Steffen Berge. "Aber eigentlich sollte man darauf verzichten."

Eine besorgte Mieterin habe bei ihm angefragt, ob es schädlich sei, dass einige Mieter regelmäßig, wie sie es von ihren vorherigen Wohnungen gewohnt seien, über die Fenster lüfteten. "Bei einem Haus dieser Größenordnung mit 31 Wohnungen und einer Wohnfläche von über 2800 Quadratmetern geht das noch an. Die Nachbarn, die sich an die Regeln halten, werden nicht in Mitleidenschaft gezogen." Die Speichermasse des Hauses sei groß genug, dass das Haus nicht sofort auskühle. Sollte das aber geschehen, seien Heizkörper eingebaut, damit die Bewohner nicht frieren müssten. Im normalen Betrieb aber sei die Wärmerückgewinnung aus der warmen Abluft der Zimmer, die der Zuluft wieder zugeführt werde, ausreichend, damit es zu keinem Wärmeverlust kommt. "Die Wände waren auch in diesem Winter immer angenehm warm", sagt Rüdiger Steiff. Und selbst die Fenster seien nicht unangenehm kalt gewesen. Dennoch kann es geschehen, dass der eine oder andere Bewohner die objektiv positiven Werte subjektiv anders wahrnimmt. "Eine Mieterin, die es gewohnt war, im Winter an ihrer Heizung zu sitzen und zu lesen, hat sich hier im Winter nicht so wohl gefühlt", berichtet Steffen Berge. "Sie empfand es als unangenehm, dass die Temperatur in allen Zimmern gleich war. Sie war ein warmes Wohnzimmer und ein kaltes Schlafzimmer gewöhnt."

Wie funktioniert ein Passivhaus? Dazu Steffen Berge: "Das erste Passivhaus wurde 1991 als Reihenhaus in Darmstadt gebaut. Es hatte, wie auch die heutigen Passivhäuser eine massive Dämmung und extrem gute Fenster mit Dreifachverglasung, damit die Wärme im Haus gehalten wird. Für ein angenehmes Raumklima sorgt eine Zu- und Abluftanlage mit Wärmerückgewinnung." An diesen Prinzipien habe sich seit 1991 wenig geändert. Da Passivhäuser inzwischen aber kein Nischenprodukt mehr seien, wären sie kostengünstiger als vor 20 Jahren.

Passiv darf der Bewohner eines Passivhauses aber nicht sein. Er hat zwar keine Heizung, die er auf- und abdrehen kann, aber er hat eine Lüftungsanlage, mit der er die Temperatur der Zuluft in vier Stufen regeln kann. Sie wird vom Warmwassersystem des Hauses durchflossen, und er kann sie bei Bedarf "aufdrehen". Bei Gästen, die Wärme erzeugen, sollte er die Nachheizungsfunktion nach unten regulieren und die Zuführung frischer Luft nach oben.

Die Heizkosten, die die Baugenossenschaft den Mietern ihres Passivhauses berechnet, liegen zwischen 30 und 35 Euro, sagt Rüdiger Steiff. Früher habe er an die 120 Euro bezahlt. "Man muss bei einem Passivhaus zwischen Warmwasser- und Heizkosten trennen", betont Steffen Berge. Die Heizenergiekosten lägen fast bei Null, die Warmwasserkosten änderten sich dagegen nicht. Hinzu kommen noch die Personalkosten für die Wartung der Lüftungsanlage. Bei steigenden Energiekosten sei man gegenüber einem konventionellen Haus auf der sicheren Seite. Es sei denn, die Personalkosten würden sich im gleichen Maße entwickeln.