Die meisten wollen so lange wie möglich selbstbestimmt leben. Der Wohnungsmarkt hat darauf reagiert.

Hamburg. In Hamburg leben zwar vergleichsweise viele junge Menschen, gleichwohl ist schon jetzt nahezu jeder fünfte Einwohner 65 Jahre alt und älter. Und ihr Anteil wird steigen: von jetzt 18,7 auf 19,9 Prozent im Jahr 2025, wie das Statistikamt Nord bestätigt.

Zugleich zeigen Erhebungen: Die Großstadt wird attraktiver, je näher der Ruhestand rückt. Dies vor allem wegen der kurzen Wege, der besseren ärztlichen Versorgung und des Angebots an betreutem Wohnen. In ihrem Flyer "Gut leben, wo ich zu Hause bin" hebt die Deutsche Seniorenliga gleichwohl hervor, "dass mehr als 90 Prozent der über 65-Jährigen bei weitgehend guter Gesundheit in den eigenen vier Wänden leben möchten". Unabhängigkeit und Lebensqualität spielten bei den Überlegungen, wo man seinen Lebensabend verbringen möchte, eine wichtige Rolle. "Deshalb sind andere Wohn- und Betreuungsformen für viele ältere Menschen keine Alternative zum eigenen Zuhause", so die Schlussfolgerung, gefolgt von dem Hinweis, dass knapp 80 Prozent der über 65-Jährigen seit mehr als zwanzig Jahren in derselben Wohnung beziehungsweise Haus leben ( www.deutsche-seniorenliga.de ).

In dieses Bild passt zwar nicht unbedingt Susanne Wegener - die 60-Jährige ist vor drei Jahren von Steilshoop in eine Wohnung der Baugenossenschaft Bergedorf-Bille in der HafenCity gezogen -, ihr Ziel ist jedoch: Dort bis zum Lebensende wohnen bleiben. "Sollte ich pflegebedürftig werden, habe ich die Martha-Stiftung mit den Seniorenwohnungen in der Nähe. Ansonsten setze ich auf die gute Nachbarschaft in und außerhalb unseres Hauses", sagt die quirlige Hamburgerin. Die Voraussetzungen dafür seien perfekt, da die Baugenossenschaft einen Raum für Nachbartreffs im Haus eingerichtet habe, der auch von allen Bewohnern innerhalb des Quartiers genutzt werde. Schon jetzt sei ein Gefühl des Miteinanders im Quartier entstanden, schwärmt die 60-Jährige, und sie hebt hervor: "Wenn man über ,Wohnen im Alter' spricht, sollte man nicht vergessen, dass viele der heutigen ,Alten' der 68-Generation angehören. Und die sind, ebenso wie ich, von dem Gedanken geprägt, frei und unabhängig leben zu wollen."

Explizit dieser Wunsch ist Hintergrund für das Projekt "ElbElysium", das im Auftrag der Martha-Stiftung im vergangenen Jahr am Kaiserkai errichtet wurde: Es umfasst 43 barrierefreie Wohnungen für Senioren mit Servicedienstleistungen auf Abruf. "Es sind noch nicht alle Wohnungen vergeben", sagt Felix Sonntag von der Martha Stiftung. Gleichwohl sei das Interesse an dieser Wohnform groß, da im Bedarfsfall auf hauswirtschaftliche Hilfe bis zu Organisations- und Begleitdiensten zurückgegriffen werden könnte. "Die überwiegende Zahl unserer Bewohner ist jedoch auf diese Leistungen noch nicht angewiesen", sagt Sonntag. Sie seien zwischen 55 und 90 Jahren alt und zahlten für die 50 bis 80 m⊃2; großen Wohnungen eine Warmmiete von 800 Euro aufwärts (mehr unter www.martha-stiftung.de ). Insofern könne man von einem Zwei-Generationen-Haus sprechen.

Damit spricht Sonntag eine Wohnform an, die sich in der Hansestadt zunehmender Beliebtheit erfreut: dem Mehrgenerationen-Wohnen unter einem Dach. "Dieses Modell liegt im Trend", sagt Angela Hansen von der Agentur für Baugemeinschaften. "Allerdings sind es zurzeit eher die Alten, die die Nähe zu den Jungen suchen. Sie wollen sich wirklich gern unterstützend in den Alltag der Familien einbringen." Leider werde dies noch zu selten gewürdigt. Es gebe aber Projekte wie jenes auf dem alten Güterbahnhof in Barmbek, wo unter dem Namen "Generationen Wohnen am Park" von vornherein zwei Wohnungen für Großeltern von zwei Familien mit eingeplant seien. "Mit dem Bau werden wir bald beginnen", sagt Architekt Johannes Störtenbecker von gruppe3 Architekten.

Ein ähnliches Projekt plant die Fluwog Nordmark in Barmbek. Dort wurde am Freitag Richtfest gefeiert für einen Neubau mit 25 Seniorenwohnungen und vier großzügig geplanten Familienwohnungen. Die Senioreneinheiten haben Wohnflächen zwischen 54 und 66 m⊃2;, die Familienwohnungen zwischen 92 und 114 m⊃2;. Das Besondere auch hier: Für Senioren sind regelmäßige Treffen, Veranstaltungen, Beratungen sowie die Vermittlung von Hilfsdiensten angedacht. Die Miete für die 23 geförderten Seniorenwohnungen beträgt 5,60 Euro/m⊃2; netto-kalt zuzüglich einer Servicepauschale in Höhe von circa 44 Euro, bei zwei Personen ermäßigt sich die Pauschale auf etwa 66 Euro. Die beiden freifinanzierten Senioren- und vier Familienwohnungen werden für 8,75 Euro vermietet. Zusätzlich sind Genossenschaftsanteile zu zeichnen ( www.fluwog.de ).

Zum Leidwesen von Inge Lüders, Sprecherin der Fachgruppe "Wohnen im Alter" im Landes-Seniorenbeirat Hamburg, verschließen viele die Augen vor der Möglichkeit, im Alter auf die Pflege anderer angewiesen sein zu können. Dabei müsse diese Option bei der Planung frühzeitig mit angedacht werden, sagt die rüstige 71-Jährige. Sie selbst habe deshalb ihr kleines Reihenhaus, das sie vor etwa zehn Jahren mit ihrem Mann in Rahlstedt gekauft hat, schon vor dem Umzug behindertengerecht umbauen lassen. Ein Einzug in eine Seniorenwohnanlage oder in ein Heim sei für sie beide übrigens nicht in Frage gekommen. "Um aber so lange wie möglich im Haus bleiben zu können, setzen wir auf eine gute Nachbarschaft." Die Ressourcen dafür seien überall gegeben, man müsse sich nur aktiv einbringen, rät Inge Lüders.