Familien mit Kindern träumen von “Klein-Bullerbü“. Andere eher von Ruheoase mit Pferdehaltung.

Das Leben auf dem Lande wird offenbar von vielen Bundesbürgern für erstrebenswert gehalten. Wie sonst lässt es sich erklären, dass nicht nur Makler auf Nachfrage von einer Sehnsucht nach Wohnen in ländlicher Idylle berichten, sondern auch die Zeitschrift "Landlust" im vergangenen Jahr inmitten der Medienkrise den höchsten Auflagenzuwachs seit Bestehen (2006) verzeichnete? Befragt nach den Kaufgründen, antworteten die Leser in einer Marktstudie, das sechsmal im Jahr erscheinende Magazin werde als wohltuender Gegenentwurf zum schnelllebigen Alltag empfunden. Exemplarisch hieß es: "Das ist mein kleiner Urlaub vom Alltag."

Ob das Leben auf dem Land zu Recht von vielen romantisiert wird, kann Martina Scholz beantworten. Die 48-jährige Logopädin ist zusammen mit ihrem Mann und den beiden Söhnen vor neun Jahren nach Rade bei Tangstedt (Kreis Stormarn) gezogen. Bereut hat sie diesen Schritt nie, wie sie sagt. Das Friesenhaus am oberen Alsterlauf hätten sie und ihr Mann eher zufällig gefunden, als sie nach einem längeren Auslandsaufenthalt auf der Suche gewesen seien nach einem neuen Zuhause.

"Als wir das Haus mit den vielen aufwendig restaurierten Einbauten und dem Kachelofen im Wohnzimmer das erste Mal betraten, durchströmte uns sofort ein Gefühl von Geborgenheit", erinnert sich die gebürtige Hamburgerin, die den Großteil ihrer Kindheit nah' dem Sachsenwald verbracht hat. Obwohl noch zwei weitere Hausbesichtigungen an dem Tag angestanden hätten, sei sie mit der damaligen Hausherrin drei Stunden in der gemütlichen Wohnküche hängen geblieben - auch heute noch einer ihrer Lieblingsplätze im Haus. Ihrem Mann sei es bei der Begehung des 183 m⊃2; großen Hauses und des gut 1000 m⊃2; großen Grundstückes mit dem Gartenhaus am Teich und den vielen Obstspalieren an den Hauswänden ähnlich gegangen. "Als wir dann wieder zusammenkamen, war unsere Entscheidung gefallen. Wir kaufen dieses Haus!"

Sich selbst würde Martina Scholz übrigens nie als Landpomeranze bezeichnen, auch wenn sie mittlerweile Profi ist im Einkochen der eigenen Gartenfrüchte zu Marmelade. Mindestens dreimal die Woche fährt die Logopädin nach Hamburg, wo sie eine Praxis unterhält und nach wie vor auch gern einkaufen geht. "Das eine schließt das andere nicht aus", sagt die Stormarnerin, die sich zurzeit allerdings mit dem Gedanken anfreunden muss, das Haus in andere Hände zu geben.

Maklerin Steffi Kriegisch von Immosky Nord ist sicher, für das Haus schon bald neue Besitzer zu finden. Sie beobachtet seit dem letzten Jahr in ihrem Arbeitsumfeld - der nördlichen und östlichen Region rund um Hamburg - geradezu einen "Run" auf Häuser im Grünen. "Es sind vor allem Familien aus Hamburg mit kleinen Kindern, die ein Haus mit guter Anbindung suchen", sagt die Maklerin. Vielen käme es dabei vor allem auf ein großes Grundstück an, auf dem die Kinder ausgelassen spielen und man selbst im Garten frei schalten und walten könnte. Dass die Mütter eventuell gezwungen seien, des Öfteren Taxidienste zu übernehmen, werde nicht als Problem gesehen. "Für die Käufer ist wichtiger, den Kindern und sich selbst ein wenig ,Klein-Bullerbü' bieten zu können. Begehrt sind vor allem Häuser mit einem Kaufpreis von nicht mehr als 400 000 Euro", sagt Steffi Kriegisch.

Den Trend zum Wohnen im Grünen bestätigt auch Monika Böhnert, Geschäftsführerin im Büro Engel & Völkers Norderstedt: "Je näher an die Stadt und je alleinstehender das Objekt, um so begehrter ist die Immobilie. Viele handeln nach dem Motto: Wenn schon auf dem Land, dann richtig!" Allerdings nehme die Nachfrage bei Kaufpreisen über 500 000 Euro deutlich ab. "In dieser Preisklasse wird dann auch die Nähe zu Hamburg erwartet", sagt die Maklerin. Volker Leibold, für das Maklerhaus in Celle/Soltau-Fallingbostel tätig, berichtet von zwei Strömungen, die er und sein Team derzeit beobachten: "Zum einen sind es die sogenannten Best-Ager, die bewusst der Arbeitswelt den Rücken zudrehen wollen, sobald sie im Ruhestand sind. Zum anderen sind es aber auch oft junge Paare - meist sogar kinderlos -, die nach einem stressigen Arbeitstag das Zuhause im Grünen als Ruhepol definieren." Allerdings werde hier schon eine gute Anbindung an die Stadt zur Voraussetzung gemacht. Und noch etwas hat Leibold beobachtet: Sehr oft wünschten sich Interessenten, Pferde am Haus halten zu können oder zumindest gute Reitmöglichkeiten in der Nähe.

Ein Wunsch, der dem Hamburger Makler Jan Hugo Kraaier nicht unbekannt ist. Geradezu ins Schwärmen kommt er, wenn er von einem Hofensemble spricht, das er gerade zu einem "Schnäppchenpreis " mit Reithalle und Pferdestallungen im Landkreis Lüneburg im Angebot hat. "Die Häuser sind durch Alleen verbunden und durch Wege aus Natursteinpflaster. Man hat das Gefühl in eine andere Welt einzutauchen, wenn man das Gehöft betritt." Wohnen auf dem Lande sei aber nicht gleichbedeutend mit einem traditionellen Baustil, betont Leibold. "Natur und Design schließen sich nicht aus. Oft wird richtungsweisende Technik und perfektes Designkonzept gewünscht."