Erbstücke, Skurriles, Reiseandenken - ein Mix aus Alt und Neu verleiht der Wohnung Claudia Piergiannis Flair und Charakter.

Hamburg. Wer die Altbauwohnung betritt, fühlt sich fast an einen italienischen Palazzo erinnert. Die Wände, die Paneele im Flur, die Tür- und die Fensterrahmen sind in den Farben verblühter Hortensien gestrichen - in Mauve, Taupe und blassem Blaugrau. Die Möbel stammen aus Antiquitätengeschäften, vom Flohmarkt oder sind Erbstücke der Familie. Statt im fünften Obergeschoss am Eppendorfer Baum könnten die hohen Räume auch in einem venezianischen Dogenpalast liegen, der in die Jahre gekommen ist.

Claudia Piergianni (41) mag das. "Ich habe ein Faible für Altes und Morbides", sagt die Inneneinrichterin. Seit zwölf Jahren ist sie in Hamburg aktiv, teilweise auch auf Sylt, in Südfrankreich oder London. In ihrem kleinen Laden "decorazioni" in der Hegestraße bietet sie individuelle Einrichtungsberatung an - unterstützt von einem Mitarbeiterteam, zu dem auch eine Innenarchitektin gehört. Außerdem gibt es hier Möbel aller Epochen: moderne Klassiker, Antiquitäten, oder Stücke aus den 50er- und 60er-Jahren.

Ein Mix aus Alt und Neu findet sich auch in der 180-Quadratmeter-Wohnung, die Claudia Piergianni mit ihrem Mann und ihren drei Töchtern bewohnt. Die Einrichtung ist ein Beweis dafür, dass der Halbitalienerin guter Geschmack und ein Händchen für Design quasi angeboren sind.

Viele antiquarische Einrichtungsgegenständen hat sie mit Einfallsreichtum und Kreativität aufgepeppt: So hat sie Lampen aus schmiedeeisernen Geländerstäben oder antiken Balustradensäulen anfertigen lassen oder alte Regentonnen mit Marmorplatten zum Beistelltisch verwandelt. Außerdem kombiniert sie gerne Alt mit Neu: Vor dem Barock-Sekretär steht der Tulip Chair von Eero Saarinen, über dem abgebeizten alten Esstisch hängt eine Leuchte von Tobias Grau.

Die Wände schmücken Kindergemälde, ein goldgerahmter Urahn ihres Mannes und Werke verschiedener Künstler; auf Kommmoden und Tischen steht ein Sammelsurium von Erbstücken, Reiseandenken und andern Kleinigkeiten. Zu jedem Gegenstand kann sie eine Geschichte erzählen. Das Bild des Vorfahren - ein mit vielen Orden geschmückter Offizier - hat ein Einschussloch. "Das waren amerikanische Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg bei der Erstürmung des Familiensitzes auf das Gemälde geschossen haben", erzählt Claudia Piergianni. Die fast metergroße Madonnenfigur hat ihr Großvater, ein italienischer Architekt, aus der Kirche des Städtchens Sperlonga mitgebracht. An Libellenflügel erinnernde Korallen hat sie selbst an einem Karibik-Strand gesammelt.

Mit den Worten "auch Gegenstände des täglichen Gebrauchs müssen schön sein", bringt Claudia Piergianni ihren Sinn für Ästhetik auf den Punkt. Etwas Profanes, aber Unvermeidliches wie Tupperware verschwindet bei ihr unten im Küchenschrank. Überhaupt die Küche: Sie ist der Lebensmittelpunkt der Familie. Hier wird gefrühstückt, gekocht - natürlich mit Gas - und vor allem geredet. Offene Regale ersetzen die von der Hausherrin ungeliebten Küchenoberschränke, Spülstein und Kreuzgriff-Armaturen sind ihren historischen Vorbildern nachempfunden. Im alten Stil präsentiert sich auch das neu gestaltete Bad: das braune Glasmosaik von Casamood stammt eigentlich aus dem Jahr 1918 und wurde gerade neu aufgelegt.

Trotz Claudia Piergiannis Sinn für Stil ist sie von einer erfrischenden Lässigkeit: Der alte Bauernschrank, der im Flur die Jacken und Mäntel der Familie schluckt, hat eine schiefe Tür. Unter einer Kommode im Wohnzimmer warten seit Jahren Familienfotos darauf, zu einer Collage verarbeitet zu werden. Im Esszimmer hängen seit Langem drei große alte Holzrahmen - ohne Glas und ohne Bild - einfach weil Claudia Piergianni sie schön findet. Erst seit Kurzem weiß sie, wie sie die Rahmen füllen will: Mit Porträts ihrer drei Töchter, die sie von einer ihrer Kundinnen - einer Malerin - anfertigen lassen will.

Kann sein, dass sie diesen Auftrag teilweise mit ihrer Arbeit bezahlt. "Das mache ich manchmal so", sagt sie. Auch der Barock-Sekretär stammt von einem Kunden, der das gute Stück auf ihren Wunsch mit ihrem Honorar verrechnete. Für ein gutes Verhältnis zu ihren Kunden und deren Zufriedenheit scheut Claudia Piergianni keine Mühe. Sie zeichnet Entwürfe von ihren Wohnungen, bringt ihnen Möbelstücke zur Probe vorbei ("eine ziemliche Knochenarbeit", wie sie sagt) oder verbringt Stunden beim Tischler, um ihm beim Ölen von Tischplatten zu helfen - für ein japanisches Restaurant, das sie zurzeit am Eppendorfer Weg einrichtet.