Wohnungen in diesen Häusern finden schnelle Abnahme. Offizielle Vertreter der Hamburger Architekten sprechen wohlwollend von einer “Phase“.

Sie wohnen selbst in einer schönen alten Villa, da lag es nahe, dass auf dem 900 m⊃2; großen Grundstück vor ihrem Haus ein Neubau entsteht, der von seinem äußeren Erscheinungsbild sich an sein Umfeld anpasst. Das ist den beiden Bauherren Ute und Karsten Stümpel gelungen: Viele Bargteheider (Kreis Stormarn) konnten in den letzten Monaten beobachten, wie sich der anfangs schnöde Rohbau mit sechs Einheiten in eine Villa mit klassisch schöner Putzfassade verwandelte. Es sind vor allem die herausgearbeiteten Hausecken (Bossen) und die profilierten Fenster, in Grau abgesetzt, die der weißen Putzfassade ihr unverkennbares Profil geben. Hinzu kommen aufwendige Holzarbeiten an den Balkonen.

"Wir hätten die großen Maisonettewohnungen in den Obergeschossen gleich zwei- oder dreimal verkaufen können, so groß war die Nachfrage", sagt Ute Stümpel. Frei seien noch die beiden Einheiten im Erdgeschoss (85 und 68 m⊃2;), die auf Wunsch auch zusammengelegt werden könnten. Innen präsentieren sich die Einheiten zurückhaltend klassisch mit Hamburger Fußleisten, Stiltüren, Parkettböden und jeweils Kaminanschluss. Auf Stuck wurde dagegen verzichtet.

Entworfen wurde das Haus von dem Hamburger Büro Icardi & Hack ( www.ihp-architekten.de ). Die Architekten sind breit aufgestellt, haben viel Erfahrung im Sanierungsbereich. Aktuell ist Architekt Hans-Peter Hack damit befasst, im Auftrag eines Hamburger Geschäftsmannes eine Privatvilla im Stil der Architekten Georg Kallmorgen und Werner Lundt in Alsterlage zu errichten. Die beiden Hamburger Architekten bauten in der Jahrhundertwende viele schöne Villen und Bürohäuser in der Hansestadt.

Klare Vorgaben also für Hack. Während sich das Haus aber nach außen hin historisch gibt, wird es innen mit Komfort höchster Güte ausgestattet: Schwimmbad im Souterrain, integrierter Fahrstuhl, Holz-Hightech-Fenster, vier Meter hohe Wände mit Stuck, der nach original erhaltenen Abdrücken angefertigt wird.

Ein Brückenschlag zwischen Alt und Neu wird derzeit auch bei einem anderen Neubauprojekt umgesetzt: An der Alten Landstraße entsteht nach Plänen von T.O.M Architekten das Alstertal Palais. Realisiert wird das Gebäude im Auftrag der HPI Hanseatische Projektentwicklung. "Drei der insgesamt fünf Wohnungen sind uns vom Papier weggekauft worden", sagt Geschäftsführer Stefan Alsleben. Und dass, trotz eines Quadratmeterpreises von 3540 Euro. Zielgruppe seien Käufer der Generation 50plus, tatsächlich zeige aber auch eine Familie mit kleinen Kindern Interesse am Kauf.

Alle Einheiten sind mindestens 200 m⊃2; groß, erhalten Luxusküchen und -Bäder sowie Parkettböden und sind auf Wunsch auch mit mehr als nur einem Kaminanschluss erhältlich. Der Einbau einer Sauna ist ebenfalls eingeplant.

"Das Haus selbst errichten wir im KFW40-Standard, es ist also sehr energieeffizient", sagt Alsleben. Anfang Oktober war Richtfest, Frühjahr 2010 soll der Bau mit der hellen Putzfassade, dem Walmdach und der sich grau absetzenden Bossenstruktur bezugsfertig sein. "Es ist das erste Projekt, das wir in Anlehnung an historische Vorbilder errichten", sagt der Vertriebskaufmann. "Angesichts der positiven Resonanz befinden wir uns derzeit auf der Suche nach einem weiteren geeigneten Standort, um dort ein ähnliches Haus zu errichten."

Karin Loosen, Erste Vorsitzende beim Bund Deutscher Architekten Hamburg, wertet die Rückbesinnung auf die Vergangenheit "als eine Phase, die so immer mal wieder in der Baugeschichte zu beobachten ist". Grundsätzlich, gibt sie zu bedenken, sollte Bauen aber Ausdruck der Zeit sein, in der ein Haus entsteht. "Insofern spricht viel dafür, eine neue Formensprache zu suchen, die auch der energetischen Entwicklung der Gegenwart Rechnung trägt", sagt Loosen. Dieser Gedanke spiegele sich auch im Motto des Verbandes wider: Geschichte kennen, Gegenwart bauen, Zukunft gewinnen. "So ist bitte auch unser Umzug in das Museum für Hamburgische Geschichte zu werten, wo seit Frühjahr das Architektur Centrum seinen Sitz hat", fügt die Architektin hinzu.

Ähnlich fällt die Bewertung neohistorischer Bauten bei der Hamburgischen Architektenkammer aus. Auch hier kommentiert man die Entwicklung eher wohlwollend. "Wir leben nicht mehr in einem Zeitalter, in dem es eine dogmatische Moderne gibt. Insofern werten wir den Neohistorismus als Beleg für den Pluralismus, den es in der Architektur gibt", sagt Claas Gefroi, Geschäftsführer der Architektenkammer. Schließlich könne man auch in Bezug auf die aktuelle, moderne Architektur davon sprechen, dass sie sich am Bauhaus orientiere. "Insofern findet hier ebenfalls eine Form der Historisierung statt", sagt Gefroi.

Wichtig sei bei all diesen Vorhaben, dass Architekten und Handwerker darauf achteten, dass die Umsetzung von hoher Qualität sei. "Wenn stattdessen aber mehr nach dem Motto verfahren wird, was ist günstig, und nur mit Versatzstücken gearbeitet wird, dann entspricht dies nicht unseren Vorstellungen von Baukultur." Letztlich sei es nicht Aufgabe der Kammer, etwas als "schlecht" oder "gut" zu befinden. Im Grunde, so Gefroi weiter, müsse die Frage gestellt werden: Was ist zeitgemäß? Doch genau diese Frage ließe sich immer nur im Rückblick, nach 20 bis 30 Jahren, beantworten.