Sie planen für St. Petersburg, Istanbul oder Griechenland. Wo nötig, weichen sie von Traditionen in der Baukultur ab.

"Ein Gebäude ist schön, wenn man es schön zeichnen kann." Wenn Sergei Tchoban, Partner beim Hamburger Architekturbüro "nps tchoban voss" alte Gebäude zeichnet, ist er von den Details der Fassade und der Patina, die sie angesetzt haben, fasziniert. "Ein Gebäude muss auch das Recht haben, eine Ruine zu sein." Viele alte Häuser hätten die Qualität, Betrachter auch dann noch in ihren Bann zu ziehen, wenn sie schon etwas verkommen und dreckig seien, sagt er. Solche Häuser finde er in Rom. "Moderne Häuser haben diese Qualität häufig nicht."

Sergei Tchoban, der Anfang der Neunzigerjahre aus St. Petersburg nach Hamburg gekommen ist, weiß, dass sich ein Gebäude nicht nur in seinem Umfeld behaupten muss, sondern auch einen Beitrag zu leisten hat, diesen Ort zu stärken. Dabei komme es auch auf die Wahl des richtigen Baumaterials und der Ausgestaltung der Details an.

Wenn er Entwürfe für Häuser in seiner Heimatstadt St. Petersburg zeichnet, geht es ihm darum, zur Identität der Stadt beizutragen. "Im 20. Jahrhundert hat die Baukultur in St. Petersburg gelitten. Wenn wir sie zurückholen wollen, müssen wir Häuser bauen, die die Umgebung positiv prägen." St. Petersburg sei eine Industriestadt mit fünf Millionen Einwohnern, in der die Luft belastet sei und sich Dreck an den Fassaden absetze. Hinzu komme ein langer, sieben Monate andauender Winter. Auf der anderen Seite sei St. Petersburg für seine weißen Nächte und sein mildes Licht berühmt. Alle diese Faktoren müsse ein Architekt in seine Überlegungen einfließen lassen, wenn er für diese Stadt plane.

In St. Petersburg, so Sergei Tchoban weiter, sollten Stadtplaner und Architekten die historische Stadtsilhouette, aus der nur die Kirchtürme herausragen, respektieren. "Hier dürfen keine Hochhäuser stehen." Der Stadtrat von St. Petersburg sieht das anders: Der Gazprom-Konzern hat die Genehmigung erhalten, mitten in der Stadt ein 400 Meter hohes Gebäude, den Ochta-Turm, zu bauen. Die Bauten, die das Hamburger Büro in Hamburgs Partnerstadt gebaut hat, orientieren sich dagegen an den verspielten Fassaden des barocken St. Petersburg. Tchobans Neubauten haben reliefartige Fassaden und die Materialauswahl passt sich an den klimatischen Verhältnissen an. An der Fassade des Benois-Buildings bleibt der Blick beispielsweise hängen, weil in jedem fünften Fenster ein Kostümentwurf des Bühnenbildners Alexander Benois zu sehen ist, der einst hier wohnte. So wurde aus einem anonymen Investorenobjekt ein Gebäude, das dem Ort eine neue historische Identität verleiht.

Ähnlich der Entwurf des "Langenzipen"-Centers, das im Umfeld von Jugendstil- und neoklassischer Architektur errichtet wurde. Die historische Schmuckfassade entpuppt sich erst auf den zweiten Blick als modern mit Glaselementen, auf denen die Dekoration per Tintenstrahldruck aufgebracht ist.

Für Sergei Tchoban ist es ein Heimspiel, wenn er in und für St. Petersburg baut. Für die meisten Hamburger Architekten ist die Herausforderung, in einem anderen Land zu bauen, ungleich größer. Zwei Beispiele aus dem Mittelmeerraum zeigen, wie Architekten aus der Hansestadt damit umgehen. So hat das Büro Kirsch Bremer Artandarchitecture zwar ein mediterran anmutendes Haus für einen Hamburger auf der griechischen Insel Lefkas gebaut, es brach aber mit der traditionellen Baukultur, indem es das Gebäude nicht mit einer dunklen Fassade und Satteldach versah, sondern in Weiß und im Bauhausstil entwarf. "Wir haben es so entwerfen können, weil es abseits einer Ortschaft steht", sagt Beate Kirsch, die gemeinsam mit Anja Julia Bremer den Entwurf für das Haus lieferte. Nur deshalb seien die Behörden entgegenkommend gewesen und hätten lediglich darauf bestanden, dass eines der Flachdächer eine moderate Dachschräge erhielt. Auch die Skeptik der Einwohner sei schnell gewichen. "Man mag das Haus, die Leute zeigen es vor und betrachten es nicht als Fremdkörper", sagt Anja Julia Bremer. Man könne Neues wagen und die Menschen dabei mitnehmen, haben die beiden Architektinnen erfahren.

Mussten sich Bremer und Kirsch noch mit traditionellen Vorstellungen von architektonischer Gestaltung auseinandersetzen, hat der Hamburger Architekt Alf M. Prasch, auch er ein Partner bei nps tchoban Voss, damit radikal gebrochen. Er entwarf das Hochhausensemble Büyükcekmece in Istanbul. "Der Bürgermeister wollte Hochhäuser haben, die traditionellen Vorstellungen entsprechen", erinnert sich Prasch. Zurück im Hotel hatte er die zündende Idee, als er beobachtete, wie Albatrosse schwerfällig auf einem Ponton landeten. "Da kam mir die Idee, eine Skulptur zu errichten, die diese Vögel zum Vorbild nimmt." Der Bürgermeister habe die Idee genial gefunden. Ein solches Hochhausensemble sei allerdings in hohem Maße von der richtigen Lage abhängig, so Alf M. Prasch. In Hamburg sei eine ähnliche Architektur sicherlich auch denkbar - in der HafenCity.