Polstermöbel, Stühle, Leuchten oder auch Küchen - viele Entwürfe bekamen anerkannte Preise.

Ein Hinterhof an der Borselstraße in Ottensen. Im Obergeschoss einer ehemaligen Motorenfabrik liegt die Ideenschmiede von Jonas Kressel und Ivo Schelle. Die beiden Produktgestalter haben mit ihren Arbeiten vom "Red Dot" bis zum "if Design Award" alle maßgeblichen Design-Auszeichnungen Deutschlands gewonnen.

Die Erfolgsgeschichte des Büros kressel + schelle begann kurz nachdem die beiden Industriedesigner 1990 ihr Studium in Kiel abgeschlossen hatten. Nachdem sie zunächst als Innenarchitekten gearbeitet hatten, machten sie sich 1992 selbstständig. Kurz darauf bekamen sie ihre erste Chance: das Museum für Kunst und Gewerbe lobte einen Wettbewerb für unbekannte Designer aus. Im Losverfahren wurde allen Teilnehmern ein prominenter Hamburger zugeteilt, für den sie ein Möbelstück entwerfen sollten. "Wir bekamen Gertrud Kracht, die Inhaberin der Leuchtenfirma Anta, die sich eine Kommode wünschte." Das war der Startschuss für ihre Karriere - und der Beginn einer langen, erfolgreichen Zusammenarbeit.

"Eigentlich wollten wir lieber ein Regal bauen", sagt Kressel, "aber dann haben wir für sie diese Kommode entworfen." Er deutet auf ein Foto, das vor ihm liegt. Ein reduziertes Möbelstück aus Holz ist zu sehen, mit einem Schiebeelement aus Aluminium, das Fächer und Schubladen freilegt, wenn man es zur Seite schiebt. Die Kommode gefiel Gertrud Kracht und überzeugte sie vom Talent der jungen Designer. Sie bat die beiden, ihre Firmenzentrale umzubauen. "Das war das Beste, was uns passieren konnte", schwärmen Kressel und Schelle. "Wir konnten von null auf 100 durchstarten." Über eine halbe Million Mark durften sie ausgeben. Sie ließen exklusive Einbauten anfertigen und gestalteten die Räume in dem ihnen eigenen, puristischen Stil.

"Ein eigenes Büro hatten wir damals noch nicht", sagt Ivo Schelle. "Wir haben bei uns zu Hause gearbeitet - jeweils zwei Wochen im Wechsel, damit es unseren Freundinnen nicht zu viel wurde." Nach einem Jahr war der Umbau der Firmenzentrale beendet. Jetzt sollten die Designer für Anta eine Lampe entwerfen. Das Ergebnis war "Jovo", die 1993 mit dem red dot award ausgezeichnet wurde. Dann ging es Schlag auf Schlag. Für den Polstermöbelhersteller Cor entwarfen sie den Sessel "Trinus", der jetzt, 13 Jahre später, eine Arte Renaissance in den Kabinen der neuen Aida- Schiffe erlebt. Als drittes "Bett" wurde dieses ausklappbare Sitzmöbel für die Zweierkabinen aller Aida-Kreuzfahrtschiffe bestellt.

Dann endlich bezog das Designer-Duo sein erstes Büro - eine 35 Quadratmeter große Ladenwohnung an der Friedensallee.

Hier entwickelten sie einen Computertisch für Rosenthal-Einrichtungen, mehrere Beistelltische für Rolf Benz und zahlreiche Lampen für den Hersteller IP44. Es folgten weitere Produkte für Anta, die preisgekrönte Chaiselongue "Onda" für Cor, Betten für Interlübke. Vor drei Jahren, mittlerweile war das Büro nach Ottensen umgezogen, bekamen Jonas Kressel und Ivo Schelle ihre "zweite carte blanche", wie sie sagen. Damit meinen sie den Auftrag der Küchenfirma SieMatic. Um mit Konkurrenten wie Bulthaup und Poggenpohl mithalten zu können, wollte das Unternehmen in den Bereich der modernen Luxusküchen einsteigen. In Zusammenarbeit mit dem Münchener Designer Martin Dettinger entwickelten Kressel und Schelle "S 1" - eine Küche der Superlative, unter anderem mit dem red dot award 2009 ausgezeichnet, und für den deutschen Designpreis 2009 nominiert. Herzstück der Küche ist ein Smartboard zum Bedienen von iPod, Musikanlage und Flachbildschirm, der Färbung der Küchenrückwand, Licht, Lüftung oder Temperatur. Als "innere Werte" haben sich die Designer etwa lederne Tellerhalter einfallen lassen oder eine Art Kanal im hinteren Bereich der Arbeitsfläche mit Stauraum, Steckdosen und Handyladegerät.

Zurzeit tüfteln Jonas Kressel und Ivo Schelle an einem neuen Stuhl. Zwischen Bandsäge und Bohrständer steht er als Prototyp in ihrer Werkstatt. Immer wieder wird er auf Bequemlichkeit, Optik und Standfestigkeit geprüft. Vielleicht wird er einmal ähnlich erfolgreich wie "Feniks". Den gibt es seit fünf Jahren in etwa 20 Variationen - jetzt will das Klinikum Gera den preisgekrönten Stuhl im ganzen Haus einsetzen.