Lehmputz ist fast auf jeder Art von Untergrund verwendbar.

Keine Wand ist vor ihr sicher und sei sie auch noch so klein. In der Küche, im Flur, selbst im Bad tobt sich Antje Vieregge aus. Experimentiert mit grober und feiner Körnung. Mischt farbige Pigmente unter, bestreicht Ränder mit Goldfarbe, fixiert Flächen mit Wachs. "Wenn ich erzähle, dass ich mit Lehm verputze, denken alle nur an dunkle Erde", sagt die 41-Jährige. "Dabei ist es ein wunderbares Material. Man kann glatte, fast glänzende Wände anfertigen und sogar auch Reliefs formen." Eigentlich eher durch Zufall, sagt Vieregge, sei sie auf Lehm gestoßen. "Lehmputz ist fast auf jeder Art von Untergrund verwendbar", sagt Friedrich Kerker, Baubiologe bei Mordhorst. "Der meist gröbere Unterputz lässt sich in einer Schicht direkt aufs Mauerwerk auftragen. Darauf kommt eine Schicht feiner Oberputz." Das Material könne auch sehr glatt gearbeitet werden, sagt Kerker. "Die Körnung ist so fein, man sieht nicht, dass es Lehm ist."

Auch der baubiologische Fachhandel Mordhorst verwendet Lehm. "Zu uns kommen Kunden, die nach Alternativen suchen. Unter ihnen steigt die Nachfrage nach Lehm rapide", sagt Kerker. Er und seine Kollegen böten auch regelmäßig Workshops an. "Ein Vorteil von Lehm sind die warmen Farben", sagt Kerker. Zwar werde Lehm oft in Brauntönen angeboten. Doch der Grundton sei sehr hell, fast wie Porzellan. Daher gebe es fast jeden Farbton, sagt Kerker: "Einer unserer Hersteller bietet Feinputz in 110 verschiedenen Farbtönen."

Christian Kaiser, Malermeister aus Duvenstedt, kam vor drei Jahren zum ersten Mal mit dem natürlichen Material in Berührung. Damals bekam er den Auftrag, an einem Niedrigenergiehaus zu arbeiten. "Ich war verblüfft", sagt Kaiser: "Der Lehmputz ließ sich gut verstreichen. Da kein Bindemittel darin ist, lässt er sich lange verarbeiten; man kann praktisch jederzeit nachbessern." Das Interesse des 35-Jährigen war geweckt. Er las Bücher über den Baustoff, besuchte Seminare. "Lehm ist porös wie ein Schwamm", sagt der Handwerker. "Abends, wenn es kälter wird, entsteht Feuchtigkeit, die der Lehm aufnimmt. Am Tage gibt er sie ab." Die Feuchtigkeit verbleibe nicht in der Wand, es entstünde kein Schimmel. Auch nehme der Lehm Schadstoffe und Gerüche auf. "Ein tolles Material", sagt auch Claudia Homeyer, Mitinhaberin von Moresby Haus. "Lehmputz bildet an der Wand eine antiseptische Oberfläche. Es ist das gleiche Phänomen wie unbehandeltes Holz."

Baubiologe Kerker rät jenen, die selbst Lehmputz ausprobieren möchten, dies auf einem glatten, grundierten und sauberen Untergrund zu tun. Darauf lasse sich jede Art von Lehmputz auftragen. Antje Vieregge in Hoisdorf etwa trägt den feineren Putz mit einer Malerrolle auf, dann werde die Oberfläche etwas rauer, sagt sie. Mit der Kelle aufgetragen, bilde sich eine glatte, samtweiche Fläche. Vieregge gefällt das Material so gut, dass sie inzwischen Seminare und persönliche Beratung anbietet.