Verbandschef kritisiert die Vielzahl von Hürden für Eigentümer bei energetischen Sanierungsmaßnahmen.

Die Bundesregierung nimmt die Wohnungswirtschaft in die Pflicht, um ihre Klimaschutzziele zu erreichen. Immerhin werden rund 40 Prozent der in Deutschland verbrauchten Energie für Raumwärme und Warmwasseraufbereitung verwendet. "Wir wollen unseren Beitrag zum Klimaschutz gern leisten", sagt Jens-Ulrich Kießling, Präsident des Immobilienverbands Deutschland (IVD). Aber die Politik müsse der Wohnungswirtschaft, insbesondere den privaten Zinshauseigentümern, mehr Hilfe anbieten. Ihnen gehöre der größte Teil der Vorkriegsbauten, bei denen eine energetische Sanierung dringend notwendig sei. Jetzt stelle man diese an den Pranger, weil sie die Zielvorgaben nicht erfüllten. Bislang seien erst fünf Prozent des privaten Wohnungsbestands energetisch saniert worden. "Das ist aber nicht aus bösem Willen geschehen, sondern weil die Rahmenbedingungen nicht stimmen", betont der IVD-Präsident.

Kießling kennt die Probleme und Hürden bei einer geplanten energetischen Sanierung auch als Mitinhaber der Hamburger Firmengruppe Wentzel Dr. "Die technischen Fragen sind nur die eine Seite der Medaille", betont er. "Die andere Seite ist das komplizierte Mietrecht und der Bürokratismus bei der Antragstellung für KfW-Kredite. Beides hält viele Vermieter davon ab, ihren kleinen Hausbestand energetisch zu sanieren." Anders als große Wohnungsgesellschaften könnten private Eigentümer ihr Haus weder vorübergehend "leerziehen", noch hätten sie deren direkten Zugang zu KfW-Krediten. Kießling fordert deshalb eine Reform des Mietrechts.

"Der Austausch eines Primärenergieträgers bei der Heizung und Warmwasseraufbereitung muss als Modernisierungsmaßnahme anerkannt werden, damit die Kosten dieser Maßnahme auf die Miete umlegbar ist." Zahlen großer Wohnungsgesellschaften belegten, dass eine energetische Sanierung für die Mieter ein Nullsummenspiel sei. "Die Mieterhöhung wird durch die verminderten Energiekosten wieder aufgefangen." Auch gehe es nicht an, dass einzelne Mieter eine energetische Sanierung behindern können. "Der Mieter sollte gesetzlich verpflichtet werden, seine Zustimmung zur energetischen Sanierung seiner Wohnung bis zu einem Monat vor Beginn der Maßnahme abzugeben. Derzeit kann er einen Tag vor Baubeginn die Sanierung noch blockieren." Es sei ein Unding, dass ein Vermieter mitunter nur mit anwaltlicher Hilfe Maßnahmen vornehmen könne, zu denen der Gesetzgeber ihn verpflichte.

Darüber hinaus hält der IVD es für unangebracht, dass die Mieter während der Zeit der energetischen Sanierungsmaßnahmen auf eine Mietminderung pochen können. "Der Vermieter wird so doppelt zur Kasse gebeten." Es stimme ihn hoffnungsvoll, dass der Deutsche Mieterbund empfehle, auf Mietminderungsforderungen bei energetischen Sanierungsmaßnahmen zu verzichten. "Die Rechtsprechung ist aber eine andere, sodass der Gesetzgeber hier tätig werden muss", fordert Kießling.

Um eine energetische Sanierung zu finanzieren, können Hauseigentümer Kredite der KfW-Bank beantragen. "Private Eigentümer, unter denen es ja auch viele ältere gibt, sind mit dem damit verbundenen Bürokratismus vollkommen überfordert", weiß Kießling.

Mit dieser Kritik steht er nicht allein. Auch Heinrich Stüven, Vorsitzender des Grundeigentümer-Verbands Hamburgs, hält den bürokratischen Aufwand für unangemessen: "Das ist nur etwas für Experten. Außerdem wollen viele Eigentümer, insbesondere ältere, sich nicht mit Krediten belasten, um staatliche Vorgaben zu erfüllen." Stüven schließt sich Kießlings Forderung an, privaten Eigentümern anstelle von KfW-Krediten steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten einzuräumen, wenn sie die Sanierung aus ihren Rücklagen finanzierten. Angesichts der Wohnungsknappheit hält Kießling es auch für geboten, bei Häusern aus der frühen Nachkriegszeit einen Abriss und anschließenden Neubau zu erleichtern, wenn sich nachweisen lässt, dass sich eine energetische Sanierung betriebswirtschaftlich nicht rechne. "Ein Neubau kann nicht nur als Nullenergiehaus errichtet werden, er bietet auch zeitgemäße Grundrisse und modernen Komfort. Und in der Regel kann man auch mehr Wohnungen auf dem Grundstück bauen, als der Altbau hatte. Davon würde eine Stadt mit einem knappen Wohnungsangebot in jedem Fall profitieren."