Der Nachbar darf noch ein Jahr nach Baubeginn den Abriss eines Anbaus einfordern, wie ein Urteil des Bundesgerichtshofs zeigt

Die Baustelle wird stillgelegt, und der Abriss eines Anbaus droht. Dieser Albtraum kann trotz erteilter Baugenehmigung wahr werden, wie ein Urteil des Bundesgerichtshofs zeigt (Az.: VII ZR 8/10). Private Bauherren müssen sich danach klar darüber sein, dass der Nachbar noch bis zu einem Jahr nach Baubeginn Widerspruch gegen eine erteilte Baugenehmigung einlegen kann. Darauf weist die Bonner Anwaltssozietät Eimer Heuschmid Mehle hin.

Im konkreten Fall ging es um die Frage, wer es versäumt hatte, die Zustimmung des Nachbarn nach verzögertem Start und Änderung der Baumaßnahme einzuholen: Der beauftragte Architekt oder der Bauherr bzw. Eigentümer? Die Karlsruher Richter befanden, dass es sich im konkreten Fall um einen "Sorgfaltsverstoß des Auftragsgebers in eigenen Obliegenheiten" handelt, ihn somit ein Mitverschulden trifft. Die Haftung des Architekten beim Schadensersatz ist dadurch begrenzt. Denn dem Bauherren sei bewusst gewesen, dass die Zustimmung des Nachbarn für die Änderung ausstand. Trotzdem habe er ohne Rücksicht auf mögliche Konsequenzen mit dem Bau begonnen.

Dazu Christian Huhn, Baurechtler in der Bonner Kanzlei: "Grundsätzlich kann in jeder Bauphase zwischen dem Auftraggeber und dem Architekten wirksam vereinbart werden, dass das Genehmigungsrisiko auf den Bauherrn übergeht. Doch das war hier nicht der Fall." Insofern habe das Gericht mit der Entscheidung die Frage beantwortet, wann der Bauherr auch ohne Vereinbarung und trotz der werkvertraglichen Architektenpflichten mithaftet. "Und jetzt ist klargestellt: Der Architekt muss zwar mögliche Widerspruchsrechte prüfen und den Auftraggeber sogar auffordern, fehlende Zustimmungen einzuholen. Doch er muss sich nicht selbst mit den Nachbarn einigen", betont Huhn. Grundsätzlich schulde er aber seinem Auftraggeber eine dauerhaft genehmigungsfähige Planung. Schadensersatzansprüche gegen die Behörde kämen zwar auch in Betracht, seien in der Regel aber schwer und oft auch nur teilweise durchzusetzen. Im vorliegenden Fall hatte die Bauaufsicht die Genehmigung für den ursprünglich eingeschossigen Anbau erteilt, obwohl eine neue Zustimmung des Nachbarn zur zweigeschossigen Version ausstand.