Urteil: Karlsruhe erleichtert Beschlagnahme von Daten bei Straftaten. Polizei-Gewerkschaft: Beamte haben jetzt endlich Rechtssicherheit bei gespeicherten Verbindungsdaten.

Karlsruhe. Wenn es um die Aufklärung einer Straftat geht, werden Ermittler in Zukunft besser auf Handy-Verbindungsdaten und E-Mails zurückgreifen können. Das Bundesverfassungsgericht hat dafür gestern den Weg geebnet. Nach dem in Karlsruhe verkündeten Urteil dürfen E-Mails und Handy-Daten beschlagnahmt werden, wenn beim Empfänger Straftaten aufgeklärt werden sollen. Die Verbindungsdaten unterliegen nicht dem Fernmeldegeheimnis, sobald sie beim Empfänger eingegangen sind und der Übertragungsvorgang beendet ist.

Der zweite Senat des Verfassungsgerichts korrigierte damit eine Entscheidung aus dem Jahr 2005. Damals hatte eine Kammer mit drei Richtern die Verbindungsdaten unter den Schutz des Fernmeldegeheimnisses gestellt und die Beschlagnahme nur bei erheblichen Straftaten zugelassen.

Dennoch gaben die Richter der Verfassungsbeschwerde einer Heidelberger Richterin statt. Bei einer Wohnungsdurchsuchung waren Mobiltelefon- und Computerdaten beschlagnahmt worden, weil die Frau verdächtigt wurde, Informationen über Ermittlungen an die Presse weitergeleitet zu haben. Damit hätte sie Dienstgeheimnisse verraten. Dieser Verdacht erhärtete sich damals allerdings nicht.

Nach dem neuen Urteil der Verfassungsrichter waren der Durchsuchungsbeschluß des Landgerichts Karlsruhe und die Beschlagnahme der Daten unverhältnismäßig und verstießen gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Der Verdacht, so die Richter, habe geringes Gewicht gehabt, da viele Personen für die Weitergabe in Betracht gekommen seien. Darüber hinaus sei die Erfolgsaussicht der Durchsuchung fünf Monate nach dem Tatvorwurf von vornherein zweifelhaft gewesen. Das Urteil erging einstimmig.

Doch in der Urteilsbegründung geht das Verfassungsgericht über diesen konkreten Einzelfall hinaus und erlaubt grundsätzlich eine Beschlagnahme. Dabei unterscheidet der Zweite Senat zwischen einer laufenden Datenübertragung und einer abgeschlossenen Kommunikation. Der Schutz durch das Fernmeldegeheimnis endet demnach in dem Moment, in dem die Nachricht angekommen und die Übertragung beendet ist. Denn nach der Übertragung könne sich der Empfänger vor einem unerwünschten Zugriff Dritter mit der Löschung der Daten schützen.

Mit diesem Urteil werden gespeicherte Telefon-Übertragungsdaten und E-Mails dem Brief gleichgestellt. Das Briefgeheimnis schützt vor einem heimlichen Öffnen während des Transports, das Telekommunikationsgeheimnis vor dem heimlichen Abhören eines Gesprächs. Liegt der Brief aber auf dem Schreibtisch eines Beschuldigten und hat er einen Bezug zum Ermittlungsverfahren, kann er beschlagnahmt werden.

Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) begrüßte das Karlsruher Urteil als Bestätigung für die Praxis in der Strafverfolgung. Bewährte Ermittlungsmethoden dürften nun weiterhin angewendet werden. Lob kam auch von der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Die Beamten hätten jetzt Rechtssicherheit im Umgang mit gespeicherten Verbindungsdaten, sagte GdP-Chef Konrad Freiberg (Az.: Bundesverfassungsgericht 2 BvR 2099/04).