Berlin. Sollte das deutsche Recht einen Straftatbestand für Desinformation bekommen? Rechtsexperten sehen das skeptisch. Ein Kurz-Interview.

In der Debatte um Fake-News fordern einige CDU-Politiker einen neuen Straftatbestand für Desinformation. Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Mayer, spricht von einer Regelungslücke im Strafrecht. Die Straftatbestände Verleumdung und üble Nachrede reichten nicht aus. Den Tätern gehe es nicht in erster Linie um die Ehre einer Person, sondern darum, mit falschen Informationen eine bestimmte Wirkung zu erzielen.

Im Gespräch mit unserer Redaktion erteilten mehreren Rechtsexperten einem eigenen Straftatbestand allerdings eine Absage. Der Jurist Moritz Hennemann vom Institut für Medien- und Informationsrecht der Universität Freiburg erklärt im Kurz-Interview, warum politischer Aktionismus schädlich sein könnte.

Ist die Forderungen nach einem neuen Straftatbestand für Desinformation sinnvoll?

Wie erkenne ich Fake News?

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    Moritz Hennemann: Aus einem ersten Impuls heraus sicherlich. Die Forderung ist davon geleitet, möglichst zeitnah etwas gegen gefälschte Nachrichten im Netz und deren nachteiligen Auswirkungen zu unternehmen. Ich stehe aber dem teilweise reflexhaften Ruf nach einer Verschärfung des Strafrechts eher skeptisch gegenüber: Individuen sind in den relevanten Sachverhalten bereits durch bestehende Straftatbestände – wie Verleumdung und üble Nachrede – ausreichend geschützt. Eine zusätzliche Abschreckungswirkung durch einen neuen Straftatbestand ist daher fraglich. Zudem ist zu bedenken: Die Inhalte werden meistens von anonymen Nutzern erstellt und geteilt, so dass diese Fake-News längst ihre Wirkung entfaltet haben, bevor Strafbehörden – wenn überhaupt – die Verantwortlichen identifizieren können.

    Wie hoch fallen die Strafen bei diesen beiden Vergehen aus?

    Hennemann: Für Verleumdung und üble Nachrede sieht das Strafgesetzbuch eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren vor. In der Praxis dürfte dieses Höchstmaß allerdings in den seltensten Fällen ausgeschöpft werden. Auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten wird die Strafzumessung nach den konkreten Umständen der Tat jeweils unterschiedlich ausfallen. Richtet sich die Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens, kommt im Übrigen nur eine Freiheitsstrafe in Betracht. Wer Fake-News effektiv verhindern will, muss sich zunächst einmal mit anderen Fragen auseinander setzen.

    Welche Fragen sind das?

    Hennemann: Insbesondere wird zu klären sein, welchen Beitrag Plattformen – wie Facebook und Twitter – in diesem Zusammenhang leisten können und müssen. Wenn seitens der Politik die Forderung erhoben wird, Fake-News zu löschen, muss vorher mindestens geklärt werden, welche Kriterien für den Nachweis der Unwahrheit einer Meldung gelten. Ein entsprechender Nachweis kann und sollte gerade nicht standardisiert erfolgen, ansonsten droht unter Umständen – auch mit Blick auf die Meinungsfreiheit – eine äußerst bedenkliche automatische „Vorab-Zensur“ durch Plattformen.