Große Internetunternehmen haben eigene Labore, in denen sie Anwendungen und Webseiten testen. Ein Besuch bei 1&1 in Karlsruhe.

Karlsruhe. Ein kleiner roter Punkt flitzt hektisch kreuz und quer über den Computer-Bildschirm. Ab und zu verharrt er, dann saust er weiter. Er zeigt an, wie sich die Augen des Internet- Nutzers bewegen – etwa bei der Suche nach einer bestimmten Schaltfläche. Ein sogenannter „Eye-Tracker“ – zwei Infrarot-Kameras unter dem Bildschirm – registrieren die Reflexionen auf der Hornhaut und erkennen so jede Blickbewegung.

Die Testperson bekommt davon nichts mit. Sie liefert aber wichtige Erkenntnisse für Produktentwickler. Die wollen wissen, wie man die perfekte Homepage baut, auf der die Nutzer möglichst schnell an das gewünschte Ziel kommen.

„Bei Homepages wird fast immer nur der obere Teil gelesen. Die wenigsten Nutzer scrollen mit der Maus nach unten. Daher müssen die wichtigen Buttons auch oben angesiedelt sein“, sagt Julian Siehl. Er arbeitet im „Usability“-Bereich von 1&1 Mail & Media in Karlsruhe, kümmert sich also um die Benutzerfreundlichkeit von Produkten.

1&1 hat ein eigenes Labor – wie viele andere Unternehmen auch, etwa Google, Yahoo oder IBM. Dort finden regelmäßig Tests mit Versuchspersonen statt. Bei einem Schnelltest kommen an einem Tag etwa sechs Leute. Für präzisere Messungen wird mit bis zu 20 Menschen getestet. Ein kompletter Test mit Auswertung kann von wenigen Stunden bis zu mehreren Wochen dauern.

Forscher beobachten durch einen Einwegspiegel

Das 1&1-Labor ist zweigeteilt: Die Versuchskaninchen sitzen im einen Raum, vor einem Computer oder – heute immer häufiger – vor einem Smartphone. Der Testleiter und ein Protokollant sitzen im Nebenraum. Getrennt sind sie durch einen Einwegspiegel. So können die Forscher den Probanden im Laborraum beobachten, ohne ihn zu stören. Die verdeckte Platzierung der Forscher soll garantieren, dass sich die Probanden möglichst natürlich verhalten.

Dann muss der „Eye-Tracker“ noch an die Versuchsperson angepasst werden, da Stellung und Größe der Augen bei jedem Menschen anders ist. Das geht recht schnell. Und der Versuch kann beginnen. Ein spezielles Programm stellt fest, welche Bereiche der Seite für den Nutzer am interessantesten waren – wohin er also am häufigsten und längsten geschaut hat. Diese Bereiche sind bei der sogenannten Hot-Spot-Analyse rot. Weniger interessante Bereiche sind grün oder gar nicht farbig.

Schon vor Jahren fanden die Forscher bei solchen Tests heraus, dass die meisten Menschen bestimmte Nutzungsmuster im Netz entwickelt haben. Sie erwarten beispielsweise ein Menü immer an einer bestimmten Stelle – und zwar meistens links. Überschriften sollten möglichst groß und eindeutig sein, weiterführende Links grundsätzlich blau. „Mann kann beim Programmieren einer Seite auch von diesem Schema abweichen, man muss dann aber gute Gründe dafür haben und es konsequent durchhalten“, sagt Julian Siehl.

Eine Webseite muss also klar strukturiert und selbsterklärend sein, wenn sie die Besucher lange fesseln will. Viele Chancen geben die Nutzer ihr nämlich nicht. Im Durchschnitt brechen Internetsurfer bereits nach fünf Mausklicks ihre Suche nach einer bestimmten Information ab.

Webseiten ohne Bedienungsanleitungen sind gefragt

Auch bei Google hat man schon lange erkannt, dass Internetnutzer eine ungeduldige Spezies Mensch sind. „Die Geschwindigkeit einer Seite ist für die Nutzer sehr entscheidend. Hier geht es um Millisekunden“, sagt Google-Sprecher Stefan Keuchel.

Das Ziel des Unternehmens sei von Anfang an gewesen, sämtliche Angebote so zu gestalten, „dass man keine dicke Bedienungsanleitung dafür braucht“, sagt Keuchel. Teams in mehreren Ländern – vor allem in den USA, aber auch in Großbritannien und Deutschland – arbeiten an der Benutzerfreundlichkeit. Bei Google heißt die Abteilung „User Experience“. Neue Produkte testet der Internetriese mit bis zu 100 Versuchspersonen. Neben Labor-Tests macht Google auch Feldstudien, befragt die Nutzer bei ihnen daheim oder online. Die meisten der Tester melden sich freiwillig.

„Der Bedarf nach Usability-Tests steigt gerade in der Wirtschaftskrise“, sagt Julian Siehl von 1&1. Für die E-Mail- Anbieter werde es immer wichtiger, ihre Kunden zu halten und das sei nur möglich, wenn sie mit der Website zufrieden sind.

Viele Nutzer haben jedoch ganz grundsätzliche Probleme mit dem Computer, berichtet Siehls Kollege Danijel Nevestic. „Vielen fehlt ein grundsätzliches Verständnis von PCs, die haben das ganze Drumherum nicht verstanden.“ So können sie etwa nicht mit mehreren Fenstern gleichzeitig hantieren und sind verwirrt, wenn ein Fenster nur noch im Hintergrund vorhanden ist.

Seit neuestem untersuchen die Tester nicht mehr nur Websites. Immer interessanter werden für sie die mobilen Geräte wie Smartphones oder Tablet-Computer. Auch hierfür gibt es einen Versuchsaufbau: Das Telefon liegt in einem mit rotem Klebeband markierten Bereich, von oben filmt eine Kamera Bildschirm und Finger des Nutzers, von vorne filmt eine andere das Gesicht des Versuchskaninchens. Einen „Eye-Tracker“ gibt es dafür noch nicht. Speziell dafür entwickelte Brillen sind noch zu ungenau und zu teuer.

Die Aufgabe: „Schreiben Sie eine E-Mail und speichern Sie sie anschließend in einem neuen Ordner.“ Während die Versuchsperson ihr Bestes gibt, stellt der Tester immer wieder Fragen. Etwa: „Was hätte Ihnen geholfen, um den Button schneller zu finden?“ Aus den Kameraaufzeichnungen und den Antworten ersehen die Tester, wo es bei der Software noch hapert.