Fernsehsender und Gerätehersteller unternehmen einen neuen Anlauf, einen Standard für das Hybrid-TV durchzusetzen, bei dem Fernsehen und Internet zusammenwachsen. Noch stößt der neue Standard HbbTV aber auf einige Hindernisse.

Berlin. Das Konzept des neuen Hybrid-Fernsehens HbbTV ist denkbar einfach: Ein Druck auf den roten Knopf der Fernbedienung reicht aus, um Zusatzangebote zum TV-Programm auf den Bildschirm zu holen. Das können Nachrichten sein wie beim herkömmlichen Videotext - aber auch Detailinformationen über die laufende Sendung oder interaktive Mitmachdienste.

Über den Knopf mit der Signalfarbe erreichen die Zuschauer aber auch Abruf-Videos der Mediatheken der Fernsehsender, wenn sie beispielsweise den aktuellen "Tatort" am Sonntag verpasst haben und die Krimi-Folge einige Tage später anschauen wollen. Auf der IFA 2010 zeigen TV-Sender und Gerätehersteller, wie sie sich die Zukunft des hybriden Digitalfernsehens vorstellen.

Der neue Standard Hybrid Broadcast Broadband TV (HbbTV) wird in Deutschland von den ARD, ZDF und Arte sowie den privaten Sendern RTL, ProSiebenSat.1 und dem KabelKiosk von Eutelsat unterstützt. So können beispielsweise beim "Ersten" und den regionalen ARD-Sendern etliche Sendungen bis zu sieben Tage nach der Erstausstrahlung über die Mediathek abgerufen werden, ohne dass man zuvor eine Aufnahme programmieren musste. Eine personalisierbare Programmvorschau in HbbTV zeigt das TV-Angebot der kommenden 14 Tage.

Das Angebot umfasst auch eine moderne Version des Videotextes. Auf der IFA ist unter anderem eine HbbTV-Version des Bayerntextes und eine Anwendung zur BR-Rundschau zu sehen. So genannte Widgets, über die sich die Zuschauer interaktiv an einer Live-Sendung beteiligen können, gibt es noch nicht. Sie sind aber bereits in Arbeit. "HbbTV ist in jeder Form ausbaufähig", sagt der ARD-Koordinator für das Digital-Fernsehen, Michael Albrecht.

Für HbbTV benötigt man eine spezielle Set-Top-Box, die das digitale TV-Signal (Satellit, Kabel oder DVB-T) und einen Internet-Anschluss zusammenführt. In der Praxis funktioniert HbbTV derzeit aber nur über das digitale Satelliten-Fernsehen (DVB-S), da es bislang nur für diesen Übertragungsweg HbbTV-fähige Boxen von Videoweb, Inverto ("Volksbox"), Smart Electronic und Humax gibt.

ARD-Koordinator Albrecht geht davon aus, dass HbbTV demnächst auch über Kabel und Antenne genutzt werden kann. Ob aber insbesondere die Kabel-Anbieter mitziehen werden und ihre Set-Top-Boxen auch für HbbTV ausrüsten, kann Albrecht nicht genau absehen. "Da liegt noch ein Steinchen im Weg." Bei Kabel Deutschland zumindest ist kein kurzfristiger Einstieg in HbbTV geplant. Vorrang haben eigene Projekte zum Online-Abruf von Videos.

Das HbbTV-Projekt ist nicht der erste Versuch in Deutschland, auf breiter Basis digitale Mehrwertdienste für den Fernseher einzuführen. Vor zehn Jahren wurde der Standard Multimedia Home Platform (MHP) vorgestellt, der in den 90er Jahren in Deutschland entwickelt worden war. Inzwischen sind allerdings die meisten MHP-Projekte wieder eingestellt.

Thomas Schierbaum vom Institut für Rundfunktechnik in München sieht mehrere Gründe, warum MHP sich nicht durchsetzen konnte. "Damals fehlten die Internet-Bandbreiten und die notwendige leistungsfähige Hardware." Außerdem habe eine langwierige Diskussion über Lizenzgebühren die Einführung gebremst.

Während MHP nicht vom Fleck kam, haben Telekommunikationsanbieter eigene Fernsehsysteme am Markt positioniert, die komplett über das Internet laufen. Marktführer ist hierzulande die Deutsche Telekom mit "Entertain", das 1,3 Millionen Kunden hat. Einen ähnlichen Ansatz verfolgen Wettbewerber wie Vodafone und United Internet. Außerdem drängen US-Giganten wie Google und Apple mit ihren Video-on-Demand- Lösungen auf den Markt. Aber weder Google noch Apple haben den "Tatort" und andere TV-Highlights aus Deutschland im Programm.

Das kommende Jahr wird zeigen, ob HbbTV sich auf breiter Front durchsetzen kann. Zwar unterstützen Fernsehhersteller wie LG, Sony und Philips den europäischen Standard. Allerdings sind auf der IFA noch kaum TV-Geräte zu sehen, die HbbTV direkt - ohne eine Set-Top- Box - unterstützen. Der Standard sei noch frisch, begründet zum Beispiel Toshiba-Sprecher Sascha Lange die Zurückhaltung seines Unternehmens. (dpa)