Es ist ein historischer Schritt – und ein sehr gewagter. Wird Microsoft mit seinem eigenen Tablet “Surface“ der Durchbruch gelingen? Das Tablet könnte der Befreiungsschlag sein – bedeutet aber auch den Bruch mit einem erfolgreichen Geschäftsmodell.

Berlin/Los Angeles. Schon lange will Microsoft im boomenden Tablet-Markt durchstarten – bislang mit eher bescheidenem Erfolg. Nun reißt dem Unternehmen der Geduldsfaden: Mit „Surface“ bringt der Softwarekonzern einen ersten eigenen Tablet-PC auf den Markt. In einem historischen Schritt kehrt der Softwarekonzern damit sein Geschäftsmodell um und bricht mit einer bislang erfolgreichen Arbeitsteilung zwischen Hard- und Software.

Die Ankündigung von Microsoft richtet sich klar gegen den iPad-Hersteller Apple und Google, den Hersteller des Konkurrenz-Systems Android. Doch vermutlich dürfte Microsofts „Surface“ vor allem bei den Firmen wie eine Bombe einschlagen, die bislang Partner des Software-Konzerns sind: Firmen wie Asus, Acer, Lenovo, Sony oder Dell planen im Zweifelsfall nämlich längst selbst einen Tablet-Computer mit Windows 8 und sehen sich nun nicht nur der Konkurrenz durch Apple, sondern auch von Microsoft ausgesetzt.

Microsoft-Chef Steve Ballmer legte alles daran, im Rahmen der „Surface“-Ankündigung seine Hardware-Partner zu besänftigen. Die großen Hersteller würden im kommenden Jahr mit dem Rückenwind des neuen Windows 8 mehr Personal Computer verkaufen als jemals zuvor. Und Ballmer führte einige Beispiele als Beleg an, dass Microsoft in seiner langen Firmengeschichte schon wiederholt Hardware wie die Computermaus gebaut habe, um seine Windows-Software voranzutreiben. „Wir glauben an die Stärke des PCs als Ökosystem“, sagte Ballmer.

Analysten sehen dagegen einen klaren Interessenskonflikt: „Interessant, dass zuvor nichts von HP, Dell, Lenovo oder alle anderen OEM-Partner erwähnt wurde“, kommentierte Gartner-Analyst Michael Gartenberg in einem Tweet die Ankündigung. „Microsoft versucht, Apple zu sein. Aber die einzige Company, die erfolgreich wie Apple ist, ist Apple.“

Gartenberg verwies darauf, dass Microsoft mit seinen Mäusen, Kameras und Tastaturen nie seinen angestammten Hardware-Partnern im PC-Geschäft so sehr ins Gehege kam wie mit dem „Surface“. Und die Xbox-Software wiederum habe Microsoft nie an andere Hersteller lizenziert. „Was soll ich sagen? Die Hölle friert zu“, kommentierte Gartenberg Microsofts historischen Schritt gegenüber der Finanznachrichtenagentur Bloomberg. „Das ist die totale Antithese zu ihrem Kerngeschäft.“ Die Microsoft-Ankündigung sei „ein kühner Schritt, aber auch ein sehr riskanter“. Die Strategie könne aufgehen wie bei Microsofts Spielekonsole Xbox – oder ein Flop werden wie etwa der Zune-Player, der nach langer Bedeutungslosigkeit als iPod-Herausforderer wieder vom Markt verschwunden ist.

Im schnell wachsenden Markt der Tablet-Computer befürchtet Microsoft offenbar, es könnte es auch ein Fehler sein, sich wie gewohnt auf die Partner zu verlassen: HP hatte sich bereits aus dem Markt zurück gezogen, zu schwer war es, gegen den Platzhirsch Apple einen Stich zu bekommen. Und etliche Microsoft-Partner hätten bislang den Markt nicht wirklich ins Visier genommen, sagt Ben Bajarin, Analyst bei der Consulting-Firma Creative Strategies. „Nach ersten Prototypen seiner Hardware-Partner dürfte Microsoft der Industrie zeigen wollen, was nach ihrer Meinung eine gute Lösung ihrer Tablet-Ambitionen ist.“

Doch noch ist das Spiel offen. Wesentliche Fragen blieben allerdings auch nach der Präsentation unbeantwortet. Microsoft habe weder etwas über die Ausstattung für den mobilen Betrieb, noch einen Preis der Geräte genannt, konstatierte Scott Austin vom „Wall Street Journal“. Auch wann die beiden Modelle des „Surface“ – mit Windows 8 und Windows RT – auf den Markt kommen, wurde nicht konkretisiert. Lapidar hieß es „in der zweiten Hälfte das Jahres“.

Als Preisspanne nannte Microsoft einen Rahmen zwischen derzeit verfügbaren Tablets und den neuen Ultrabooks – das könnte also zwischen 100 und 900 Euro liegen. Marktbeobachter gehen von einem Preis zwischen 500 und 700 Dollar aus. Wegen nötiger Hardware-Spezifikationen durch die Touch-Bedienung von Windows 8 könnte es nach Einschätzung von Analysten eine große Herausforderung sein, ein Windows-8-Tablets günstiger als die günstigste Variante des iPad zu produzieren. Der Preis dürfte aber einer der wesentlichen Eckpfeiler für den Erfolg sein.

Ein Tablets mit Standfuß und Tastatur

Unter dem Namen Surface hat Microsoft zwei eigene Tablets mit dem kommenden Betriebssystem Windows 8 angekündigt. An der Rückseite der Geräte mit 10,6 Zoll großem HD-Display ist ein ausklappbarer Standfuß integriert. Außerdem wird eine magnetisch schließender Schutzdeckel mitgeliefert, der gleichzeitig als Tastatur dient, so dass der Rechner immer auch als Laptop eingesetzt werden können.

Beim Schutzdeckel haben Kunden die Wahl zwischen einem drei Millimeter dünnen sogenannten Touch Cover mit Sensortasten und dem Type Cover mit klassischen Tasten, das zwei Millimeter dicker ist. Die Surface-Tablets stecken in einem anthrazitfarbenem Gehäuse aus einer Magnesium-Legierung und sind mit Micro-SD-Karten-Slot, USB-Ports, n-WLAN sowie einer HD-Front-Kamera und einer rückwärtigen Kamera zum Beispiel für Videotelefonate ausgestattet.

Zuerst verfügbar sein soll eine 9,3 Millimeter dünne Surface-Version mit stromsparendem ARM-Prozessor und Windows RT – das ist die für mobile ARM-Chips optimierte Windows-8-Version. Das Gewicht gibt der Hersteller mit 676 Gramm an. Der USB-Anschluss arbeitet nach dem 2.0-Standard, externe Displays lassen sich über einen Micro-HDMI-Port anschließen. Der Speicher ist entweder 32 oder 64 Gigabyte (GB) groß.

Mit 13,5 Millimeter und 903 Gramm ist das ebenfalls angekündigte Surface-Tablet mit Windows 8 Pro deutlich dicker und schwerer. Dafür arbeiten auch leistungsstarke Quad-Core-Prozessoren der dritten Intel-Core-Generation in dem Tablet, das zudem mit USB 3.0 und Mini-Display-Port ausgerüstet ist und auch Micro-SD-Speicherkarten nach der aktuellen SDXC-Spezifikation unterstützt. Microsoft liefert beim großen Surface auch einen Eingabestift für den Touchscreen mit. Es sind zwei Konfigurationen mit 64 oder 128 GB Speicher angekündigt.

Das Surface mit Windows RT soll gemeinsam mit dem neuen Windows 8 auf den Markt kommen. Drei Monate später soll das Tablet mit Windows 8 Pro folgen. Preise nannte Microsoft noch nicht.

Die fünf größten Hersteller von Tablet-Computern 2011

– Apple, Hersteller des iPad, weltweit 40,5 Millionen ausgelieferte Exemplare, 62 Prozent Marktanteil.

– Samsung, Hersteller des Galaxy line, 6,1 Millionen, neun Prozent.

– Amazon, Hersteller des Kindle Fire, 3,9 Millionen, sechs Prozent.

– Barnes & Noble, Hersteller des Nook, 3,3 Millionen, fünf Prozent.

– AsusTek, Hersteller des Transformer, 2,1 Millionen, drei Prozent.

– Andere, 9,4 Millionen, 14 Prozent.

Mit Material von dpa und dapd