Unternehmen und Behörden in den USA fordern von Bewerbern die Zugangsdaten zu sozialen Netzwerken. Protest auch von Facebook.

Seattle. Als Justin Bassett beim Bewerbungsgespräch war, wartete er auf die üblichen Fragen nach seiner Erfahrungen oder nach Referenzen. Völlig überrascht war er, als er plötzlich nach etwas ganz anderem gefragt wurde: nach seinem Facebook-Benutzernamen und dem Passwort dazu. Bassett weigerte sich und verzichtete auf die Bewerbung. Für ein Unternehmen, das so private Informationen haben will, wolle er nicht arbeiten, erklärte Bassett.

Bassett ist kein Einzelfall. Nach Recherchen fragen einige Firmen und vor allem auch Behörden in den USA Bewerber nach solch persönlichen Dingen. Ihnen reicht es offenbar nicht, die sozialen Netzwerke nach Informationen über den Bewerber zu durchsuchen. "Das ist so, als ob sie jemanden nach dem Hausschlüssel fragen“, sagt der frühere Staatsanwalt und Jurist Orin Kerr von der George Washington Universität. Für ihn sind solche Fragen eine "ungeheuerliche Verletzung der Privatsphäre“.

In Deutschland sei ihr nichts über derartige Fragen in Bewerbungsgesprächen bekannt geworden, sagt Mirjam Alex, Juristin in der Rechtsabteilung der Gewerkschaft Verdi in Berlin. Bekannt sei, dass Unternehmen einen Bewerber "googeln“, um zu sehen, was im Internet über ihn bekannt ist. Aber auch das verlaufe schon in einer rechtlichen Grauzone, wo dringend eine gesetzliche Regelung vonnöten sei.

In den USA schlägt die Sache inzwischen Wellen bis nach Washington. Die demokratischen Senatoren Chuck Schumer und Richard Blumenthal wandten sich an Justizminister Eric Holder, der aufgefordert wurde zu prüfen, ob solche Fragen gegen Bundesgesetze der USA verstoßen. Gleichzeitig kündigten sie Gesetzesinitiativen an, um mögliche Lücken in der Gesetzgebung zu schließen.

Auch Facebook warnte Unternehmen davor, Bewerber nach ihrem Passwort zu fragen. Facebook drohte gar mit rechtlichen Schritten gegen solche Aufforderungen, da sie gegen die Nutzungsbestimmungen von Facebook verstoßen, nach denen die Weitergabe eines Passworts verboten ist.

Ein Facebook-Sprecher riet Unternehmen auch im eigenen Interesse davon ab, nach Passwörtern zu fragen. Denn wenn der Arbeitgeber im Facebook-Profil Informationen finde, aufgrund derer er den Bewerber ablehne, müsse er eine Diskriminierungsklage fürchten und könnte zur Einstellungen desjenigen verpflichtet werden. Auch in den USA sind Fragen nach persönlichen Informationen wie Geschlecht, Rasse, Religionszugehörigkeit oder Alter bei Bewerbungsgesprächen in der Regel nicht erlaubt.

Fragen nach Passwörtern zu sozialen Netzwerken kommen in den USA offenbar häufiger bei Behörden vor, die Positionen bei den Sicherheitskräften zu besetzen haben. So war das auch 2010 bei Robert Collins, der sich im Staat Maryland um eine Wiedereinstellung bei der Gefängnisbehörde nach einer Pause wegen des Tods seiner Mutter bewarb. Begründet wurde die Frage damit, dass mögliche Verbindungen zu Banden überprüft werden müssten.

Collins war zwar perplex, kam der Aufforderung aber nach. "Ich brauchte den Job, um meine Familie zu ernähren“, erinnert er sich. Nachdem die Bürgerrechtsunion gegen diese Praxis protestiert hatte, änderte die Behörde ihr Vorgehen so, dass Bewerber sich während des Vorstellungsgesprächs selbst in ihr Konto in einem sozialen Netzwerk einloggen sollen, damit der Interviewer Einblick erhält.

Das ist auch schon seit 2006 so im Bezirk McLean in Illinois, wenn man einen Job bei der Polizei möchte. In der Stadt Bozeman im US-Staat Montana ist es üblich, dass Bewerber Passwörter für ihre E-Mail-Adressen, sozialen Netzwerke und sonstigen Online-Konten nennen müssen.

Seit dem Aufstieg der sozialen Netzwerke ist es üblich geworden, dass Firmen bei Bewerbungen diese Netze nach Informationen über mögliche Bewerber durchsuchen. Dabei werden auch spezielle Programme eingesetzt, die das Profil eines Nutzers mit dessen Erlaubnis scannen können. Eine Sprecherin der Sears Holdings, Kim Freely, begründete dies damit, dass das Unternehmen auch sehen wolle, ob der Bewerber vielleicht für andere Jobs, an die er noch gar nicht gedacht habe, infrage komme.

Die Karriereberaterin und Buchautorin E. Chandlee Bryan rät Bewerbern, immer darauf zu achten, was auf ihrer sozialen Netzwerkseite stehe. Man müsse immer damit rechnen, dass andere sich das ansehen wollten. Direkte Fragen nach Passwörtern sieht sie kritisch, etwas anderes sei es, wenn der Arbeitgeber über eine Freundschaftsanfrage Einblick in das Profil eines Bewerbers bekomme.

Insgesamt herrscht bei der Auswertung des Internets bei der Besetzung von Stellen noch eine große rechtliche Grauzone. Wenn sich jemand um eine Stelle bewerbe, bestehe natürlich ein Abhängigkeitsverhältnis, eine Schutzlosigkeit des Arbeitsuchenden, sagt Verdi-Juristin Alex. Er könne zwar eine Frage nach Passwörtern ablehnen, aber was dann passiere, sei auch klar. Auch die Rechtsprofessorin Lori Andrews vom IIT Chicago-Kent College sieht keine Freiwilligkeit in der Frage nach einem Online-Passwort. "Freiwilligkeit ist Zwang, wenn du einen Job brauchst“, sagt Andrews.