Die IP-Adresse wird bisher nach dem Standard IPv4 vergeben, der noch aus der Pionierzeit des Internets stammt. Das reicht jetzt nicht mehr.

Berlin. Verbinden sich Computer oder Smartphones mit dem weltumspannenden Datennetz, dann brauchen sie stets sogenannte IP-Adressen. In der analogen Welt wäre von einer detaillierten Lieferadresse für Pakete die Rede. Im Digitalen setzt sie sich allerdings nicht aus Orts- und Straßennamen zusammen, sondern ausschließlich aus Zahlen. Angebote wie klassische Internetseiten und Videodienste adressieren an diesen kryptisch anmutenden Code in kleinen Häppchen E-Mails, Fotos, Musik.

Die IP-Adresse wird bisher nach dem Standard IPv4 vergeben, der noch aus der Pionierzeit des Internets stammt. Rechnerisch sind etwa vier Milliarden Adressen möglich. Die Architekten des Internets wissen aber schon lange, dass diese Zahl nicht ewig reicht. Streng genommen ist die Zahl der Lieferadressen bereits ausgereizt. Ins Netz kommen nur noch alle, weil viele bisher gar nicht ständig online sind und bei jeder Einwahl eine gerade freie Adresse zugewiesen bekommen.

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Weil diese Knappheit absehbar war, ist bereits seit knapp 15 Jahren ein neuer Standard verabredet: das Protokoll IPv6. Damit sind 340 Sextillionen IP-Adressen möglich – ein nahezu unerschöpfliches Potenzial. Jetzt steht der Wechsel zu IPv6 an: An diesem Mittwoch (6. Juni) stellen am „IPv6 Launch Day“ viele Provider, Betreiber von Webseiten und auch Hersteller von Internetgeräten dauerhaft auf das neue Protokoll um. Ein Testlauf ging 2011 ohne Fehler über die Bühne.

Nutzer müssen allerdings nicht bangen: Der alte Standard bleibt auf absehbare Zeit parallel aktiv. Die Umstellung könnte letztlich bis zu zehn Jahre dauern, denn viele Geräte, die in den vergangenen Jahren verkauft wurden, werden auch künftig nur IPv4 unterstützen. Modere Computer und Smartphones verstehen indes schon von Hause aus den neuen Standard und können so mit beiden Adresssystemen umgehen.

„Im besten Fall ändert sich für Endverbraucher nichts“, sagt Jens Tiemann vom Fraunhofer Institut für Offene Kommunikationssysteme in Berlin. Schwierig könne es auf lange Sicht allerdings bei veralteten Geräten oder Betriebssystemen werden, mahnt der Informatiker. Der Ball liege hier vor allem bei den Internet-Providern und Herstellern der Geräte. Die einen müssten IPv4 möglichst lange parallel zu IPv6 unterstützen, die anderen auch für ältere Geräte Updates anbieten.

In der Zukunft werden wiederum immer mehr Geräte des Alltags an das Internet angeschlossen – und das permanent mit festen Adressen. Die Industrie arbeitet daran, dass unterschiedliche Geräte „intelligent“ zusammenspielen. Will ein Nutzer etwa unterwegs über sein Handy kontrollieren, ob er ein Gerät zu Hause ausgeschaltet hat, dann werden dafür Steckdosen nötig sein, die über das Internet erreichbar sind. Diese Entwicklung wird auch als das „Internet der Dinge“ bezeichnet. Unter anderem sollen Waschmaschinen künftig erst dann starten, wenn Kraftwerke nicht ausgelastet und der Strom billig ist.

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Der neue Standard IPv6 ermöglicht es der Industrie dafür, jedem Gerät bis an sein Lebensende eine feste IP-Adresse zuzuweisen. Das aber ruft längst auch Datenschützer auf den Plan. Ihre Befürchtung: Nutzer wären dauerhaft und weltweit identifizierbar. Immerhin setzt sich eine IPv6-Adresse zur Hälfte aus der fest eingebrannten Kennung eines Geräts zusammen, der sogenannten MAC-Adresse. Doch mit dem neuen Adresssystem geht auch ein neuer Sicherheitsstandard einher.

„Jedes Gerät kann mehrere IPv6-Adressen haben“, erklärt Tiemann. Über seine dauerhafte einmalige Adresse sei ein Gerät bei Bedarf stets gezielt erreichbar – etwa für sichere Telefonate. Eine „Privacy Extensions“ genannte Funktion weise einem Gerät jedoch bei Bedarf weitere Adressen zu, die jeweils nur einen Tag lang gültig seien. Das könne etwa beim Surfen im Netz für Privatsphäre sorgen und funktioniere bei modernen Geräten und Programmen ganz von allein. (dapd)