IT-Konzern will Datenschutzkonflikt lösen und 360-Grad-Dienst Streetside rasch freischalten. Nutzer hatten sich über den Umgang mit Verpixelungsanfragen beschwert.

München/Redmond. Microsoft will auch künftig in Deutschland Googles Street View Konkurrenz machen und seinen Panorama-Dienst Streetside bald wieder für deutsche Nutzer aktivieren. „Wir wollen den Dienst so schnell wie möglich wieder freischalten“, sagte der Sprecher der deutschen Niederlassung in Unterschleißheim bei München, Thomas Baumgärtner, am Mittwoch der Nachrichtenagentur dapd. Die Kamerafahrten in deutschen Städten liefen daher unbeirrt weiter, aktuell in Köln.

Der US-Konzern hatte die Aufnahmen deutscher Städte vor wenigen Tagen überraschend aus dem Netz genommen. Microsoft begründete diesen Schritt am Dienstagabend mit den Sorgen einzelner Nutzer, das Unternehmen gehe mit ihrem Wunsch womöglich nicht sorgfältig genug um, die Fassaden ihrer Häuser zu verpixeln. Die Bedenken würden nun geprüft und nach einer Lösung gesucht, hieß es bei Microsoft.

Microsoft hatte 2011 begonnen, mehr als 50 Städte in Deutschland mit Spezialfahrzeugen abzufahren und dabei die Fassaden der Wohnhäuser, Geschäfte und Büros zu fotografieren. Erste Städte wie München und Stuttgart, in Teilen auch Berlin, waren bereits verfügbar. Nutzer konnten über die Streetside-Funktion der Suchmaschine Bing ganze Städte ablaufen und sich gezielt einzelne Häuserfassaden ansehen, etwa um sich über die Lage ihres Hotels zu informieren.

Microsoft konkurriert bei Streetside mit Street View von Google. Google war mit seinem Panoramadienst bereits 2010 in Deutschland gestartet, hat aber bis heute lediglich die 20 größten Städte der Bundesrepublik erfasst. Microsoft bot damit bislang deutlich mehr. Wie Google bot auch Microsoft Hausbesitzern und -bewohnern die Möglichkeit, per Vorabwiderspruch ihre Anwesen verpixeln zu lassen. Datenschützer hatten dafür auf Microsoft erst Druck ausüben müssen.

Bereits von sieben Wochen hatte Microsoft ein politisches Signal in Deutschland gesendet. Der Konzern verlegte damals seine europäische Distributionszentrale aus Nordrhein-Westfalen in die Niederlande, um seine Produkte vor den Auswirkungen von Patenklagen vor deutschen Gerichten zu schützen. Es ging dabei vor allem um eine Klage einer Motorola-Tochter wegen des Videokompressions-Standards H.264. Davon sind mehrere Microsoft-Produkte betroffen, darunter das Betriebssystem Windows 7 und die Spielekonsole Xbox 360. Um zu verhindern, dass Lagerbestände in Deutschland festgesetzt oder gar beschlagnahmt werden, zog der Konzern sie lieber ins Nachbarland ab.

Auch beim Dienst Streetside, der Bestandteil des Onlineservices Bing Maps ist, sah sich das Unternehmen durch politische und juristische Rahmenbedingungen in Deutschland im internationalen Vergleich benachteiligt. Microsoft hatte so wie Google im vergangenen Herbst auch eine Vorab-Widerspruchsfrist für Menschen angeboten, die ihre Wohnhäuser in den Bildern verpixelt haben wollen. Davor gab es heftige Diskussionen: Der von Industrie und Politik vereinbarte Datenschutzkodex sah keinen Vorab-Anträge vor. Datenschützer bestanden jedoch darauf.

„Wir sind bereit, auf die Datenschützer zuzugehen“, sagte im Juni 2011 der damalige Microsoft-Deutschlandchef Ralph Haupter der Nachrichtenagentur dpa. Eine generelle politische Regelung sei jedoch dringend notwendig. Haupter, der inzwischen für Microsoft die Leitung der Niederlassung in China übernommen hat, verwies damals auf den Geodatenkodex, in dem sich die Branche auf die Einhaltung von Datenschutzregeln selbst verpflichtet habe. Weil der Kodex keine Vorab-Widerspruchsmöglichkeit verlangt habe, hätten die erneuten Forderungen der Datenschützer für Irritationen gesorgt.

Microsoft bekam allerdings deutlich weniger solcher Vorab-Widersprüche als ein Jahr zuvor Google bei seinem Dienst Street View: knapp 81 000 gegen 244 000. Die Branche hatte kritisiert, dass die Infrastruktur zur Erfüllung der Verpixelungs-Forderungen solche Dienste stark verteuere.

Beschwerden zum Umgang mit den Verpixelungs-Anfragen haben nun dazu geführt, dass in der Konzernzentrale in Redmond die Reißleine gezogen wurde. Man werde nun abwägen, wie mit dem Dienst weiter verfahren werde. Aus der Stellungnahme geht nicht hervor, ob Streetside in Deutschland komplett eingestellt wird oder ob Microsoft sich weiter mit den Beschwerden beschäftigt, um Streetside wieder online zu bringen.

Wählt man derzeit im Microsoft-Kartenangebot Bing Maps als Standort Deutschland aus, erscheint der Knopf zum Aufruf von Streetside nicht mehr. Surft man in Bing Maps unter der Voreinstellung für die USA, kann man Streetside-Fotos außerhalb von Deutschland, etwa im britischen Liverpool, weiterhin aufrufen. Für Städte in Deutschland, die eigentlich für Microsoft fotografiert wurden, erscheint nun die Fehlermeldung „Streetside is not available here“ (Streetside ist hier nicht verfügbar).

Mit Material von dpa und dapd