Eine Frankfurter Kirchengemeinde hat ihren Gottesdienst an Twitter angedockt. Die Kirchenlieder kommen aus der „Soundcloud“.

Berlin/Frankfurt. Die evangelische Kirche drängt ins Netz: Auf einem „Barcamp“ diskutieren Mitglieder über neue Formen der Religionsausübung im Internet, bei einem „Twitter-Gottesdienst“ wird dies gleich ausprobiert. „Wir singen gemeinsam das Lied 432“ twittert der Mitveranstalter, die Internet-Plattform evangelisch.de, am Sonntag aus der Kirche der Frankfurter Versöhnungsgemeinde in alle Welt. „Text zum Mitsingen finden Sie hier“ – gefolgt von einem Link zur Webseite des Twittergottesdienstes.

Die 140-Zeichen-Schnipsel von Twitter können die Erfahrung des gemeinsamen Singens nicht vermitteln. Aber nach kurzer Zeit hat ein Teilnehmer die Aufnahme des Lieds aus der Versöhnungskirche auf die „Soundcloud“ gestellt. Twitter ist Kommunikation in alle Richtungen. Die Reaktionen aus der Twitter-Welt werden in den Gottesdienst integriert: Alle Tweets (Mitteilungen) mit dem Hashtag (Stichwort) #rctg12 werden auf eine Twitter-Wall projiziert, auf eine Leinwand neben dem Altar.

Das führt dann zu teilweise überraschenden Wendungen im Gottesdienst. Ein Teilnehmer twittert: „Ich bin nicht allein, denn der Vater ist bei mir.“ Was aus der großen weiten Twitterwelt prompt die Reaktion provoziert: „Und die Mutter.“ Bei der Predigt geht es um das Thema des Sonntags Rogate, ums Beten. Aus allen Ecken der Twitterrunde werden Bekenntnisse und Erfahrungen ausgetauscht. „Ich bete für die Eintracht“, tippt ein Frankfurter Fußball-Fans ins iPhone. Der Schweinfurter Pfarrer Heiko Kuschel antwortet: „Ich für den FCN. Und nun?“

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Der Twitter-Gottesdienst am Sonntag war nicht der erste. Im vergangenen Jahr schrieb ein Besucher nach einer ähnlichen Veranstaltung: „Aus einem „Frontalgottestdienst“ wird ein gemeinsames Erlebnis mit Teilnehmerbeteiligung. Vielleicht ein Baustein zur „Mitmachkirche“.“ Damals ließ sich die Sache noch etwas stockend an. Inzwischen ist Twitter in der Kirche angekommen. Auch in der katholischen Kirche wird der Dienst zunehmend genutzt, zumindest für Mitteilungen aller Art. Zudem organisierte ein Kölner Priester am 1. April den nach Kirchenangaben ersten Facebook-Gottesdienst.

Der Twitter-Gottesdienst am Sonntag klingt mit Fürbitten und dem Vaterunser aus. Letzteres hat auch schon seine Neuerfindung fürs Internet gefunden: „Unser täglich #flausch gib uns heute“, heißt es beim Veranstalter des dreitägigen Frankfurter „ReliCamps“ über Religion und Social Media, der Religionspädagogik-Plattform rpi. „Flausch“, das ist auf Twitter der Ausdruck für Zuneigung, Mitgefühl, menschliche Wärme.

Die Teilnehmer des Twitter-Gottesdienstes gehen zufrieden nach Hause – oder in ihre gewohnte Twitter-Timeline zurück. Einer twittert beim Gehen: „Wenn ich solche Gottesdienste mitfeiern darf, weiß ich, warum ich Christ bin.“