Volkskrankheit Diabetes - nach Schätzungen verdoppelt sich die Zahl der Typ-2-Diabetiker alle 15 Jahre. Ein Hamburger Experte erklärt, was man selbst tun kann, um den Blutzuckerspiegel wieder zu normalisieren.

Vermehrter Durst, vermehrtes Wasserlassen, Abgeschlagenheit, körperliche Schwäche und Gewichtsabnahme - "das sind die klassischen Symptome eines Typ-1-Diabetes", sagt Prof. Manfred Dreyer, Chefarzt der Inneren Medizin für Kardiologie, Angiologie und Diabetologie im Asklepios Westklinikum Hamburg. An dieser Form des Diabetes leiden etwa 0,3 Prozent der Bevölkerung. Ursache ist ein Insulinmangel, der dadurch entsteht, dass der Körper Antiköper gegen Insulinproduzierendes Gewebe der Bauchspeicheldrüse bildet. "Deswegen besteht die Therapie immer aus dem Ersatz des Hormons, das heißt,Typ-1-Diabetiker müssen sich Insulin spritzen", sagt Dreyer. Weitaus häufiger ist der Typ-2-Diabetes, auch bekannt als Altersdiabetes. Daran leiden fast acht Prozent der Bevölkerung. "Und diese Zahl steigt stark an. weil die Bevölkerung älter, schwerer und bewegungsärmer wird. Wir rechnen mit einer Verdoppelung alle 15 Jahre", sagt Dreyer.

Der Typ-2-Diabetes verursacht eher uncharakteristische Symptome. "Dazu gehören Abgeschlagenheit, Müdigkeit, Verschlechterung des Erinnerungsvermögens sowie häufige Infektionen, insbesondere der Harnwege", so der Diabetesspezialist. Ursachen sind eine verminderte Insulinbildung und die Abnahme der Insulinwirkung.

Entscheidend für die Diagnose ist die Bestimmung des Blutzuckerspiegels, wenn der Patient nüchtern ist. "Normal ist ein Wert von 70 bis 110 Milligramm pro hundert Milliliter (mg/%), im Graubereich von 110 bis 126. Liegt der Blutzuckerwert über 126, hat der Patient Diabetes", so Dreyer.

Die Therapie erfolgt nach einem Stufenplan. "Zuerst versucht man, mit Ernährungsumstellung auf gesunde Mischkost, vermehrter körperlicher Aktivität und Gewichtsabnahme eine Normalisierung des Blutzuckerspiegels zu erreichen. Reicht das nicht aus, werden Tabletten verordnet, die die Insulinproduktion fördern. Später ist es manchmal nötig, dass die Patienten Insulin spritzen."

Seit Kurzem gibt es eine weitere Therapiemöglichkeit - mit GLP (Glukagon like Peptide). Dieses Hormon wird im Dünndarm produziert und fördert die Insulinbildung in der Bauchspeicheldrüse. "Es hemmt auch die Magenentleerung und den Appetit, sodass die Patienten unter dieser Therapie auch abnehmen können, bei den meisten anderen Diabetesmedikamenten nehmen sie eher zu", so Dreyer. GLP müssen die Patienten zweimal täglich spritzen.

70 bis 90 Prozent der Diabetiker können ambulant behandelt werden. "Wenn jemand aber trotz Behandlung in einer Diabetes-Schwerpunktpraxis sein Therapieziel nicht erreicht und einen HbA1c-Wert von mehr als 7,5 Prozent hat, ist eine stationäre Therapie erforderlich", so der Diabetologe. Dieser Blutwert zeigt an, wie gut der Blutzuckerspiegel langfristig eingestellt ist. Bei Gesunden liegt der Wert zwischen vier und sechs Prozent.

Kommen die Patienten in die Klinik, wird untersucht, woher die schlechten Blutzuckerwerte kommen. "Das kann zum Beispiel daran liegen, dass jemand das Insulin immer an der gleichen Stelle unter die Haut spritzt oder Lebensmittel konsumiert, die einen hohen Anteil von Kohlenhydraten haben. Die Patienten bleiben elf Tage in der Klinik und erhalten Schulungen sowie medizinische und psychologische Betreuung."

Eine gefürchtete Komplikation des Diabetes ist die Unterzuckerung, wenn der Blutzuckerwert unter 70 mg/% absinkt. Anzeichen dafür sind Zittern,. Schwitzen, Unruhe. "Der Patient sollte sofort Glukosehaltigen Apfelsaft oder Ähnliches zu sich nehmen. Wenn er hilflos ist, kann ein Angehöriger, der das gelernt hat, dem Patienten eine Glukagon-Spritze verabreichen, die alle Typ-1-Diabteiker im Notfallset haben. Wenn das nicht möglich ist, muss ein Notarzt gerufen werden und dem Patenten Glukose in die Vene spritzen", so Dreyer. Eine Unterzuckerung kann entstehen durch Verabreichung von zuviel Insulin, wenn der Patient zu wenig isst oder vermehrt körperlich aktiv ist sowie 20 Stunden nach Alkoholkonsum.

Steigt der Blutzuckerspiegel zu stark an, spricht man von einer Überzuckerung. "Gefährlich wird es, wenn der Blutzuckerspiegel auf mehr als 250 mg/% steigt", so Dreyer. Anzeichen sind vermehrter Durst, vermehrtes Wasserlassen, Abgeschlagenheit, bis hin zur Bewusstlosigkeit.

Langzeitkomplikationen des Diabetes sind Schlaganfall, Herzinfarkt, Durchblutungsstörungen in den Beinen, am Augenhintergund und in der Niere. Durch Nervenschäden kann es zu Gefühlsstörungen in den Beinen kommen, Das diabetische Fußsyndrom entsteht durch Nerven- und Gefäßschäden.

Um solchen Komplikationen vorzubeugen, sollte der Blutzucker immer optimal eingestellt sein - ein wichtiges Kriterium für eine gute Behandlung. "Der HbA1c -Wert sollte immer unter 7,5 Prozent liegen, beim älteren Menschen reicht auch ein Wert unter 8,5 Prozent. Die Diabetiker sollten zufrieden mit der Therapie sein und frei von Unterzuckerungen", sagt Dreyer.

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