Es kommt vor, dass Krebszellen den Einsatz der Medikamente überleben und dagegen unempfindlich werden. Der Grund ist jetzt bekannt.

Freiburg. Wenn Kinder an Leukämie erkranken, ist das ein Schicksalsschlag für die ganze Familie - geprägt von der Furcht vor dieser lebensbedrohlichen Krankheit, vor monatelangen Klinikaufenthalten und belastenden Therapien. Dank moderner Medikamente, die sich gegen die Tumorzellen richten, können heute etwa 80 Prozent der Kinder geheilt werden. Doch immer wieder kommt es vor, dass Krebszellen den Einsatz der Medikamente überleben und dagegen unempfindlich werden, sodass Patienten an der Krankheit sterben. Warum das passiert, hat jetzt ein internationales Forscherteam herausgefunden.

Das Protein BCL6 spiele eine wichtige Rolle dafür, dass die Leukämiezellen gegen die Medikamente unempfindlich, also resistent würden. Das ist die Erkenntnis der Wissenschaftler von der University of California (USCF) in San Francisco mit Beteiligung von Freiburger Forschern des Excellenzclusters BIOSS (Centre for Biological Signalling Studies). "Die Aktivierung von BCL6 ist eine Art Notfallmechanismus, mit dem Tumorzellen versuchen, einer Medikamentenbehandlung zu entkommen", sagt Prof. Markus Müschen von der USCF, der das Forschungsprojekt geleitet hat.

Die häufigste Form der Krankheit bei Kindern ist die sogenannte Akute Lymphoblastische Leukämie, kurz ALL. Behandelt wird diese Krebserkrankung medikamentös, meist in Form einer Chemotherapie, die manchmal noch mit anderen Medikamenten kombiniert wird, die sich gezielt gegen die Tumorzellen richten. Nachgewiesen haben die Wissenschaftler den Notfallmechanismus der Tomurzellen bei einer besonders bösartigen Form der ALL, von der es zahlreiche Subtypen gibt.

Grundsätzlich entsteht eine ALL durch bösartige Vorstufen von Lymphozyten. Das sind Zellen, die zum Abwehrsystem gehören. Die Krebszellen vermehren sich unkontrolliert im Blut und im Knochenmark und verdrängen dadurch gesunde Zellen, die für die Blutbildung erforderlich sind. Dies führt dann zu den Symptomen der ALL, die meist erst auftreten, wenn die Krankheit schon fortgeschritten ist: Die Kinder sind blass und matt, weil nicht mehr genügend rote Blutkörperchen gebildet werden. Sie haben blaue Flecken, weil die Blutgerinnung gestört ist, und sind anfällig für Infektionen, weil sie zu wenige weiße Blutkörperchen haben. Zudem breiten sich die Krebszellen auch in anderen Organen aus.

Die Forscher hoffen nun, dass ihre Entdeckung des Wirkmechanismus des Proteins BCL6 den Weg zur Herstellung effektiverer Medikamente weist. In der Fachzeitschrift "Nature" erklären die Wissenschaftler, wie sie Mäuse mit medikamentenresistenter Leukämie heilten, indem sie ihnen eine Kombination aus konventionellen Krebsmedikamenten in Verbindung mit einem Wirkstoff verabreichten, der die Funktion von BCL6 blockiert.

Vier Jahre lang hatten die Wissenschaftler daran gearbeitet, unterschiedliche Tumorzellen einer Krebsbehandlung auszusetzen und das Verhalten ihrer Gene zu studieren, wenn sie unterschiedlichen Medikamenten ausgesetzt wurden. "Wir glauben, dass unsere Entdeckung direkten Einfluss auf die Bekämpfung der medikamentenresistenten Leukämie haben wird", sagt der Forscher Dr. Hassan Jumaa, der ebenfalls an der Studie beteiligt war.

Das ist allerdings nicht der einzige Mechanismus, über den Resistenzen entstehen können. "Auch zusätzliche Mutationen in den Genen der Leukämiezellen können bewirken, dass Medikamente nicht mehr wirken", sagt Prof. Claus Rainer Bartram, Direktor des Instituts für Humangenetik an der Universitätsklinik Heidelberg und Spezialist für die Diagnostik von Kinderkrebs. "Deswegen sind diese neuen Ergebnisse zwar wichtig, aber nur ein weiteres Mosaiksteinchen auf dem Weg der Erkenntnis, wie man Resistenzen überwinden kann." Außerdem wisse man auch noch nicht, ob der Einsatz des Gegenspielers von dem Protein BCL6 im Körper des Leukämiepatienten möglicherweise zu Störungen führen kann.

Jetzt seien weitere Studien nötig. Zunächst werde darin die Verträglichkeit möglicher neuer Medikamente bei Menschen allgemein geprüft, dann die Wirkung bei leukämiekranken Patienten, die bereits Resistenzen entwickelt haben. Im letzten Schritt würde das neue Mittel vorbeugend bei Erkrankten getestet, die noch nicht resistent sind.