In Zentren der Gesundheitsforschung sollen Wissenschaftler ihre Erkenntnisse bündeln. Hamburger Einrichtungen spielen eine wichtige Rolle.

Hamburg. Es ist nicht so, dass Gesundheitsforscher und Mediziner bundesweit bisher nicht zusammengearbeitet hätten. Es gab einen Austausch - nur folgte daraus nicht unbedingt ein praktischer Nutzen. "Erkenntnisse aus der sogenannten Grundlagenforschung, die überwiegend in Laboren stattfindet, sind zu wenig mit Untersuchungen von Patienten verbunden worden", sagt Prof. Rolf Horstmann, Vorstand des Hamburger Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin. Das solle sich ändern: "Was Gesundheitsforscher herausfinden, soll künftig besser in die klinische Praxis überführt werden."

Von der engen Zusammenarbeit sollen letztendlich die Patienten profitieren

Horstmann ist Sprecher des Hamburger Standorts im neuen Deutschen Zentrum für Infektionsforschung, das jetzt auf Initiative des Bundesforschungsministeriums (BMBF) entsteht, neben drei weiteren Gesundheitszentren, die sich Herz-Kreislauferkrankungen, Lungenkrankheiten und Krebs widmen sollen. Alle vier Zentren sind nicht auf eine Region beschränkt; vielmehr handelt es sich um bundesweite Netzwerke, an denen 27 Standorte mit mehr als 100 Hochschulen, Universitätskliniken und außeruniversitären Forschungsinstituten beteiligt sind - darunter ein Dutzend Einrichtungen aus Hamburg und Norddeutschland. Sie alle zusammen sollen in den kommenden vier Jahren rund 300 Millionen Euro Fördergeld vom BMBF erhalten. Das Ziel des Konzepts ist, Erkenntnisse über die bedeutendsten Volkskrankheiten in Deutschland und weltweit zu bündeln - zum Wohle der Patienten.

Die Hansestadt ist an den Zentren zur Infektionsforschung (DZIF) und zur Herz-Kreislaufforschung (DZKH) beteiligt. Wofür wollen die Hamburger Forscher das zusätzliche Geld ausgeben, was wollen sie erreichen?

"Damit können wir jetzt langfristige Forschungsprojekte angehen, die so vorher nicht machbar waren", sagt Prof. Thomas Eschenhagen, Sprecher des DZKH und Leiter des Instituts für Experimentelle Pharmakologie und Toxikologie am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE). Vom Gesamtetat von 80 Millionen Euro entfallen 4,9 Millionen auf Hamburg; ein erheblicher Teil der Förderung soll für Kooperationen zwischen Forschungseinrichtungen ausgegeben werden. "Dieses Geld bekommen wir nur, wenn wir die Kooperation auch tatsächlich vorgenommen haben", sagt Eschenhagen. Dazu zählten etwa ein gemeinsames Ausbildungsprogramm für junge Wissenschaftler und die Möglichkeit, für mehrere Wochen in anderen Laboren zu arbeiten. "Wir wollen eine Art Zunftsystem aufbauen, in dem die Wissenschaftler an den für sie besten Standorten des Zentrums forschen können", sagt Eschenhagen. Für das Herz-Kreislaufzentrum wählte das Bundesforschungsministerium neben Hamburg sechs weitere Standorte in Deutschland aus.

Der norddeutsche Teil des Zentrums besteht aus Forschungseinrichtungen in Hamburg, Kiel und Lübeck. Dazu zählen neben dem UKE die Asklepios-Klinik St. Georg und die Universitäten Kiel und Lübeck. "Die beteiligten Einrichtungen haben unterschiedliche Schwerpunkte, die sich ergänzen", sagt Eschenhagen. Das UKE widmet sich in dem Verbund etwa den Bereichen Herzschwäche, Vorhofflimmern und Prävention von Herz-Kreislauferkrankungen, die Uni Lübeck kümmert sich um Erkrankungen der Herzkranzgefäße und genetische Aspekte.

Zum Hamburger Standort des Zentrums für Infektionsforschung zählen neben Bernhard-Nocht-Institut, Uni Hamburg, UKE und Heinrich-Pette-Institut das Forschungszentrum Borstel und die Uni Lübeck. Aus dem Gesamtetat von 39 Millionen Euro sollen die beteiligten Hamburger Wissenschaftler rund fünf Millionen Euro erhalten. Nutzen wollen sie diese für Forschung über die globalen Infektionskrankheiten HIV, Tuberkulose und Malaria sowie neu auftretende Erreger; dazu zählten in den vergangenen Jahren SARS und das Schweinegrippe-Virus H1N1.

Auch in diesem norddeutschen Verbund hat jede Einrichtung Schwerpunkte. Eine Gruppe am Heinrich-Pette-Institut entdeckte 2007, dass ein bestimmtes Enzym so manipulierbar ist, dass es die Erbinformation von HIV aus der menschlichen DNA "herausschneiden" kann (HIV baut sein Erbgut in menschliche Zellen ein). Seitdem haben die Forscher ihre Methode verfeinert; Versuche an humanisierten Mäusen, deren Immunsystem dem des Menschen nachempfunden ist, sind nach ihren Angaben vielversprechend.

Forscher des Bernhard-Nocht-Instituts erforschen in Afrika, wie Malaria durch neue Medikamenten-Kombinationen bekämpft werden könnte. Zudem versuchen sie, die Übertragung der Malaria durch die Anopheles-Mücke zu unterbrechen. In manchen Regionen tragen zwar mehr als 50 Prozent der Einwohner Malaria-Parasiten im Blut, doch nur einige der Infizierten erkranken. Trotzdem dienen sie als Parasiten-Reservoir, weil die Insekten über das Blut die Erreger aufnehmen und dann auf bislang nicht infizierte Menschen übertragen. Gelänge es, dies durch Medikamente zu unterbinden und gleichzeitig die Mücken stärker zu bekämpfen, wäre dies ein wichtiger Schlag.

Krankenhaus Großhansdorf erforscht die häufigsten Lungenkrankheiten

An dem neuen Deutschen Zentrum für Lungenforschung sind vier norddeutsche Einrichtungen beteiligt, unter anderem das renommierte Krankenhaus Großhansdorf. Dort wollen Forscher etwa untersuchen, ob Patienten mit einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) durch Sport geholfen werden kann, und sie wollen neue Medikamente entwickeln, die effektiver gegen die verschiedenen Typen des Lungenkrebses wirken sollen.