Zwei Millimeter kleine Instrumente sollen das Risiko chronischer Beschwerden senken

Hamburg. Er ist weit verbreitet und gilt vor allem als ein Leiden der Männer: der Leistenbruch. Pro Jahr werden in Deutschland 250 000 Menschen deswegen operiert. Doch nicht immer sind die Beschwerden damit beseitigt. "15 Prozent aller Patienten haben nach der Operation noch chronische Leistenschmerzen", sagt Privatdozent Dr. Henning Niebuhr, Bauchchirurg im Ärzteverbund Hansechirurgie. Sie entstehen dadurch, dass bei der OP drei Nerven irritiert werden, und können in die Beine oder in den Hoden ziehen. Meistens sind diese Beschwerden nur vorübergehend. "Aber in zehn Prozent der Fälle sind sie so hartnäckig, dass eine medikamentöse Therapie nötig ist, um die Nerven zu beruhigen oder schlimmstenfalls sogar ein weiterer Eingriff, um die Nerven zu entlasten", sagt der Arzt, der sich auf die Operation von Leistenbrüchen spezialisiert hat.

Er wendet jetzt bei seinen Patienten in der Praxisklinik Bergedorf, im Bethesda-Krankenhaus Bergedorf und in der Facharztklinik Hamburg ein neues Verfahren an, um dieses Risiko zu senken. Niebuhr spricht von der mikroinvasiven Chirurgie, einer Weiterentwicklung der Schlüssellochchirurgie mit noch feineren Instrumenten.

Ein Leistenbruch bildet sich an einer Schwachstelle in der Bauchwand, dort, wo sich der Samenstrang durch die Muskelschichten zieht. Ursache ist eine Bindegewebsschwäche durch den Mangel eines bestimmten Eiweißes. "Bei einer solchen Bindegewebsschwäche reicht dann ein Auslöser wie das Heben einer Kiste Wasser oder ein erhöhter Druck im Bauchraum beim Pressen, damit es zum Leistenbruch kommt", sagt Niebuhr. Bemerkbar macht sich der Bruch durch ziehende Schmerzen in der Leistengegend und dadurch, dass sich bei dem Patienten im Stehen und beim Pressen an dieser Stelle eine "Beule" vorwölbt. Sie entsteht, weil sich der Darm in den Bruch vorschiebt. Gefährlich wird es, wenn sich dieses Stück Darm in dem Bruch einklemmt. Dann muss der Patient sofort operiert werden, weil sonst das eingeklemmte Stück Darm absterben kann.

Früher wurde der Leistenbruch mit einer OP behandelt, bei der von außen über einen Hautschnitt der Bruch freigelegt und mit einer Naht unter Spannung verschlossen wurde. "Bei diesem Verfahren kam es aber in 40 bis 50 Prozent der Fälle zu erneuten Leistenbrüchen, sodass die Chirurgen dazu übergingen, das Loch mit einem Kunststoffnetz zu verschließen, das spannungsfrei zwischen die Schichten der Bauchwand eingelegt wurde. Durch diese Methode der Bauchwandverstärkung sank die Rückfallrate auf unter ein Prozent", berichtet der Chirurg. Das Risiko eines chronischen Leistenschmerzes konnte damit aber nicht verringert werden.

Die kleinen Löcher in der Bauchdecke müssen nicht genäht werden

Deswegen geht es den Chirurgen heute darum, mit möglichst schonenden Verfahren den Patienten Beschwerden nach der Operation zu ersparen: Bei der Schlüssellochchirurgie über eine Bauchspiegelung wird der Bruch von der Innenseite der Bauchdecke aus mit winzigen Instrumenten operiert, die durch kleine Röhren in den Bauchraum vorgeschoben werden. "Damit konnte man das Risiko von chronischen Leistenschmerzen auf zehn Prozent senken", sagt Niebuhr, der pro Jahr etwa 800 Leistenbrüche operiert.

Er wendet jetzt ein noch feineres Verfahren an, mit dem nach seiner Ansicht dieses Risiko auf fünf Prozent gesenkt werden kann. Statt der bei Bauchspiegelungen üblichen Röhren (Trokare) mit einem Durchmesser von zehn Millimetern benutzt er Röhren, die nur noch drei Millimeter Durchmesser haben. "Die Löcher in der Bauchdecke sind dann so klein, dass sie nicht einmal mehr genäht werden müssen", sagt Niebuhr. Durch diese Röhren schiebt er Schere, Pinzetten und Nadelhalter an langen Stäben in den Bauchraum vor, die mit zwei Millimetern um zwei Drittel kleiner sind als normale endoskopische Instrumente.

Die Instrumente bestehen aus Titan und Keramik

"Weil die dünnen Stäbe aus Stahl zu biegsam wären, habe ich mit einer Firma für chirurgische Instrumente aus der Kinderchirurgie bekannte Instrumente weiterentwickelt, die aus Titan und Keramik bestehen und damit eine ausreichende Festigkeit haben", erzählt der Chirurg. Die Instrumente schiebt er bis zum Bruch vor, schneidet ein Loch in das Bauchfell und legt das zwölf mal 15 Zentimeter große Kunststoffnetz zwischen Bauchfell und der Hülle der darauf liegenden Muskelschicht über den Bruch. "Dort kann es so sicher platziert werden, dass keine Fixierungen durch Tacker oder Nähte notwendig sind, die wieder das Risiko einer Nervenschädigung mit sich bringen würden", sagt Niebuhr.

Infrage kommt diese Methode für Patienten mit unkomplizierten Leistenbrüchen. Nicht geeignet ist sie für Menschen, die sehr große Brüche haben, bereits wegen anderer Eingriffe starke Verwachsungen in der Bauchhöhle aufweisen oder an einer schweren Herzerkrankung leiden. Dann muss der Bruch nach wie vor von außen durch ein Netz verschlossen werden.