Der Hambuger Arzt Ralf Stücker wird heute vom UKE zum bundesweit ersten Professor in dem Fachgebiet Kinderorthopädie ernannt.

Hamburg. Die Kinderorthopädie in Hamburg wird aufgewertet. Heute wird Dr. Ralf Stücker, Chefarzt der Kinderorthopädie am Altonaer Kinderkrankenhaus, vom Universitätsklinikum Eppendorf die bundesweit erste Professur in diesem Fachgebiet verliehen. Stücker betrachtet die Professur, die vom Altonaer Kinderkrankenhaus gestiftet wird, vor allem als Anerkennung für die Leistungen seiner Abteilung, die er vor 15 Jahren in der Klinik etablierte. "Hinzu kommt, dass in den vergangenen Jahren die Kinderorthopädie aus den großen Kliniken immer mehr verschwunden ist. Mit der Professur soll sie wieder mehr Gewicht bekommen und Forschung und Lehre wieder aufgebaut werden", sagt der 54 Jahre alte Mediziner.

Der Bedarf der Patienten auf diesem Sektor habe sich nicht verändert. "Es gibt immer noch viele Kinder mit körperlichen Behinderungen, aber keine spezialisierten Einrichtungen mehr", sagt Stücker, der mit seinen Kollegen im Altonaer Kinderkrankenhaus 1500 Operationen im Jahr durchführt und Kinder aus dem gesamten Norden behandelt. Die häufigsten Erkrankungen sind dabei Lähmungen, Fehlbildungen und Deformationen der Wirbelsäule, wie zum Beispiel eine Skoliose, sowie Muskelerkrankungen oder Beinverlängerungen.

"Wir behandeln alles, vom kleinen Zeh bis zur Halswirbelsäule", sagt der Privatdozent, der gerade diese Vielfalt seines Berufes so interessant findet. Sie hat ihn auch während seiner Ausbildung dazu bewogen, sich für den Zweig der Kinderorthopäde zu entscheiden. Trotzdem wird es aber seiner Meinung nach auch in der Kinderorthopädie in den kommenden Jahren einen ähnlichen Trend geben wie in der Erwachsenenorthopädie: dass das Fach sich in weitere Unterbereiche aufteilt, zum Beispiel, dass sich ein Kinderorthopäde auf die Behandlung der Wirbelsäule spezialisiert.

Früher wurden viele Kinder auch von Erwachsenenorthopäden mitbehandelt. Das ist heutzutage anders. "Die Orthopäden für Erwachsene behandeln heute hauptsächlich degenerative Erkrankungen, wie zum Beispiel Bandscheibenschäden, Arthrose, Rheuma, während die Kinderorthopäde den Schwerpunkt auf die Prävention degenerativer Erkrankungen legt und damit einen ganz anderen Ansatz verfolgt", sagt Stücker.

Was die Kinderorthopädie aber vor allem von der Erwachsenenorthopädie unterscheidet, ist die Tatsache, dass die kleinen Patienten sich noch im Wachstum befinden. "Das spielt eine große Rolle. Wir machen uns dieses Wachstum auch bei der Behandlung zunutze, zum Beispiel, um X-Beine bei Kindern wieder gerade zu richten. Wenn wir die Wachstumsfugen auf der einen Seite blockieren, indem wir durch Klammern Druck darauf ausüben, wachsen sie auf der anderen Seite umso stärker", erklärt der Mediziner. Diese Behandlung der Wachstumslenkung ist seit einigen Jahren ein großes Thema in der Kinderorthopädie. Die Ärzte wenden sie auch in anderen Bereichen des Körpers an, zum Beispiel um Verkrümmungen der Wirbelsäule zu beheben. Auch viele Korrekturen lassen sich nur im Wachstumsalter durchführen. Außerdem erfordert dieser besondere Zustand der Knochen auch ganz andere Operationsmethoden als bei Erwachsenen.

Damit die Ärzte den vielen Anforderungen in diesem Bereich gerecht werden können, gibt es seit drei Jahren die Zusatzbezeichnung Kinderorthopädie. Das bedeutet, die Ärzte müssen nach ihrer Facharztausbildung als Unfallchirurg und Orthopäde noch 18 Monate Weiterbildung in einer kinderorthopädischen Abteilung absolvieren. In Stückers Abteilung arbeiten zurzeit fünf Oberärzte, die diese Zusatzbezeichnung tragen.

Bei der Behandlung von Kindern liegen Freude und Leid eng beieinander

In der Arbeit mit seinen kleinen Patienten ist Stücker immer wieder erstaunt darüber, wie schnell sie sich von Operationen erholen. "Sie brauchen oft nur die Hälfte der Zeit von Erwachsenen, um wieder auf die Beine zu kommen". Es sind aber auch die schweren Schicksale, die dem Familienvater, der bereits zwei erwachsene Kinder im Alter von 23 und 25 Jahren hat, besonders in Erinnerung bleiben. Die schwer körperbehinderten Kinder, die geistig völlig fit sind und immer wieder Operationen über sich ergehen lassen, in der Hoffnung, dass sie irgendwann ein möglichst selbstständiges Leben führen können. "Und dann müssen sie doch feststellen, dass sie wahrscheinlich nie so sein werden wie ihre Altersgenossen. Das ist dann sehr schmerzlich, und die Kinder brauchen viel Unterstützung."

Auf der andere Seite nennt er auch das Schöne an diesem Beruf: "Wir haben viele Kinder, die nach der Behandlung wieder völlig gesund werden. Von dem gebrochenem Arm ist nach einem Jahr nichts mehr zu merken."