Ein neuer Antikörper greift spezifisch verschiedene Krebszellen an und verschont dabei gesunde Zellen

München. Einen neuen Antikörper, der nur Tumorzellen angreift und die natürliche Immunreaktion des Körpers aktiviert, haben jetzt Wissenschaftler am Helmholtz-Zentrum in München und dem Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München entwickelt. Die Ergebnisse der Studie werden in der amerikanischen Fachzeitschrift "Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)" veröffentlicht.

Die Zielstruktur des neuen Antikörpers, das Heat Shock Protein 70 (Hsp70), kommt auf der Zelloberfläche einer Vielzahl von unterschiedlichen Tumorarten vor. Tumoren, die das Antigen tragen, zeichnen sich durch eine hohe Aggressivität und in der Folge durch eine schlechte Prognose für den Patienten aus. Dadurch, dass der neue Antikörper gezielt nur die Krebszellen angreift, eröffnen sich neue Therapieoptionen, und Nebenwirkungen könnten vermindert werden, hoffen die Wissenschaftler.

In der Therapie von Tumoren werden schon länger Antikörper eingesetzt. So zum Beispiel das Herceptin bei Frauen mit Formen von Brustkrebs, die ein bestimmtes Antigen, den Rezeptor Her-2-Neu, auf der Oberfläche tragen.

"Doch dieses Antigen wird auch auf normalen Brustzellen gefunden, es ist aber auf Tumorzellen in höherer Dichte vorhanden", sagte die Studienleiterin Prof. Gabriele Multhoff, Immunologin vom Helmholtz-Zentrum München, dem Abendblatt. "Unser Antigen ist ausschließlich auf Krebszellen zu finden, zum Beispiel beim Darmkrebs, Lungenkrebs oder Lymphomen. Mehr als 50 Prozent der getesteten Tumoren zeigten dieses Protein, quer durch alle Tumorarten", erklärte Multhoff.

Für die praktische Anwendung an Patienten bedeutet das, dass man mit dem Antikörper ein breites Feld von Tumoren behandeln könnte. "Und man kann damit auch zielgerichtet Zytostatika in den Tumor hineinbringen, um die Krebszelle zu zerstören", so die Immunologin.

Gefunden haben die Wissenschaftler diesen Antikörper, als sie nach Antigenen suchten, die die Tumoren auszeichnen. Als sie das Antigen identifiziert hatten, konnte der Antikörper danach in Mäusen produziert werden. Seine Wirksamkeit wurde bereits an der Maus getestet. "Dabei haben wir festgestellt, dass wir damit die Überlebenszeit bei den behandelten Tumorarten deutlich erhöhen konnten", berichtete die Wissenschaftlerin.

Bis zur Anwendung am Menschen ist es allerdings noch ein weiter Weg. Denn im Moment wird der neue Antikörper noch in der Maus produziert. "Bevor man ihn aber am Menschen testen kann, müsste man Teile des Antikörpers an den Menschen anpassen", sagte Gabriele Multhoff. Erste klinische Tests an Patienten wären in ein bis zwei Jahren möglich. Mit einer Zulassung für die Therapie von Tumoren sei aber frühestens in fünf bis zehn Jahren zu rechnen.