Neue Therapie schaltet Nerven aus, die Nieren und Gehirn verknüpfen

Hamburg. Schlaganfall, Herzinfarkt, Durchblutungsstörungen in den Beinen - am Anfang solcher Erkrankungen steht meist ein zu hoher Blutdruck. Jetzt gibt es eine neue Therapie, die den Blutdruck auch dann noch effektiv senken kann, wenn Medikamente das nicht mehr schaffen: eine Katheterbehandlung der Nierenarterien mit Hochfrequenzstrom. Auf dem Kongress der American Heart Association in Chicago wurden Ergebnisse der internationalen Simplicity-HTN-2 Studie vorgestellt, die den Erfolg der Methode belegen. Auch in der Hamburger Asklepios-Klinik St. Georg ist das Verfahren schon bei 15 Patienten eingesetzt worden.

"Die Methode basiert auf der Erkenntnis, dass der Bluthochdruck sehr stark durch eine Aktivierung des sympathischen Nervensystems bedingt ist", erklärt Prof. Karl-Heinz Kuck, Chefarzt der Kardiologie im Herz-, Gefäß- und Diabeteszentrum der Asklepios-Klinik St. Georg. Das sympathische Nervensystem ist der Teil des vegetativen Nervensystems, der durch Hormon-Ausschüttung den Menschen in Alarmbereitschaft versetzt, also auch Blutdruck, Herz- und Atemfrequenz erhöht.

Das Verfahren ähnelt dem zur Therapie des Vorhofflimmerns

Beim Bluthochdruck hat man erst vor Kurzem festgestellt, dass sich über diese Nerven Gehirn und Niere gegenseitig stimulieren und den Blutdruck immer wieder in die Höhe treiben. "Aus den Überlegungen, wie dieser Teufelskreis durchbrochen werden kann, ist eine Methode entstanden, die der ähnelt, die wir schon seit Jahren zur Behandlung des Vorhofflimmerns am Herzen einsetzen. Bei dieser Ablation werden Nerven mithilfe von Hochfrequenzstrom verödet. Diese Methode setzen wir jetzt ein, um Nerven zu zerstören, die Gehirn und Nieren verknüpfen und in der äußeren Schicht der Nierenarterie verlaufen", sagt Kuck. Dabei wird über einen Katheter von der Leiste des Patienten aus ein weiterer, schmalerer Katheter für die Ablation bis zur Nierenarterie vorgeschoben. Dann setzt der Arzt an sechs bis acht Punkten Strom ein, um die Nervenfasern an der Außenseite durch Hitze von innen zu zerstören. Damit wird eine Ablationslinie erzeugt, die sich spiralförmig auf einer Länge von vier Zentimetern einmal um das Blutgefäß zieht. "Diese Ablation darf man nicht ringförmig vornehmen, weil dann die Gefahr besteht, dass die Nierenarterie an dieser Stelle schrumpft und es zu einer Verengung des Blutgefäßes kommt", sagt Kuck.

Eine weitere, aber sehr seltene Komplikation sei ein Verschluss der Nierenarterie dadurch, dass der Katheter nicht im Blutgefäß, sondern irrtümlich zwischen den Schichten der Arterienwand vorgeschoben wird. Nicht behandelt werden können mit dieser Methode Patienten, die an einer Einengung der Nierenarterien leiden oder an schweren Verkalkungen in den Oberschenkelarterien.

Die Kosten tragen derzeit die Kliniken, weil die Kassen noch nicht zahlen

Bisher werden nur Patienten mit dieser Methode behandelt, die trotz der Einnahme von mindestens drei Blutdruckmitteln einen oberen Blutdruckwert von mehr als 160 Millimeter Quecksilbersäule (mm Hg) haben. "Selbst bei einer dreifachen medikamentösen Therapie erreicht man nur bei höchstens 67 Prozent der Bluthochdruckpatienten eine Senkung des oberen Blutdruckwertes von unter 160 mm Hg", sagt Prof. Heiner Greten, Chairman im Herz-, Gefäß- und Diabeteszentrum der Asklepios-Klinik St. Georg. Ein großer Teil der Patienten bleibe weiterhin behandlungsbedürftig. Es gebe in Deutschland schätzungsweise 300 000 Patienten, die trotz intensiver Therapie des Bluthochdrucks immer noch ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall hätten. "Das Risiko für eine Erkrankung der Herzkranzgefäße steigt bereits an, wenn der obere Blutdruckwert höher als 120 mm Hg ist. Auch wenn ein Bluthochdruck laut Definition erst ab Werten von 140 zu 90 beginnt", sagt Greten.

Die Kosten von 4500 Euro für die neue Methode müssen die Kliniken aus ihrem laufenden Budget bestreiten, weil sie noch nicht von den Krankenkassen bezahlt werden. Laut der Simplicity-Studie konnte mit der Ablation innerhalb von sechs Monaten der systolische, also obere Blutdruckwert um durchschnittlich 33,4 mm Hg gesenkt werden, der untere diastolische Wert im Durchschnitt um 12,5 mm Hg.

In der klinischen Erprobung ist die Methode seit zwölf Monaten

Untersucht worden waren 106 Patienten, deren Blutdruck trotz Behandlung mit drei oder mehr Blutdruckmitteln mit einem oberen Wert von durchschnittlich 178 mm Hg deutlich erhöht war. Bei 49 wurde eine Ablation durchgeführt. "In der klinischen Erprobung ist die Methode seit zwölf Monaten", sagt Kuck. "Man könnte noch mehr Effekte erzielen, wenn das Verfahren weiter verbessert würde. Wir arbeiten selbst an einer Methode, bei der wir statt des Katheters einen Ballon benutzen. Darauf ist eine Spirale angebracht, mit der man eine komplett spiralförmige Ablation vornehmen kann."

Bei den Patienten, die zusätzlich einen Diabetes hatten, kam es zu einer unerwarteten Nebenwirkung: Nach der Therapie sank ihr Blutzuckerspiegel. "Es verbesserte sich die Stoffwechsellage, sodass wir davon ausgehen, dass wir mit einer solchen neurohumoralen Behandlung, die das autonome Nervensystem und die Ausschüttung von Hormonen zum Ziel hat, in Zukunft unterschiedliche Organe und Erkrankungen beeinflussen können", sagt Kuck.