Bonn. Durch Auswertung historischer Hirnoperationen hat ein internationales Forscherteam eine mögliche neue Zielstruktur zur Behandlung von Depressionen identifiziert. Die Studie unter Leitung der Universität Bonn erscheint in der Zeitschrift "Neuropsychopharmacology". Die Forscher hoffen nun auf neue Therapiemöglichkeiten bei schwersten Depressionen.

Bis vor gut 20 Jahren behandelten Ärzte Depressionen als Ultima Ratio auch chirurgisch. Dabei zerstörten sie bestimmte Regionen im Gehirn ihrer Patienten. Diese Operationen waren nicht ohne Risiko, erzielten zum Teil aber beachtliche Erfolge: In bis zu 70 Prozent der Fälle verbesserte sich das Befinden der Betroffenen deutlich.

Es wurden vier Areale identifiziert, deren Zerstörung besonders positive Effekte zeigte, die aber in unterschiedlichen Hirnregionen liegen. Die Forscher fanden nun ihren gemeinsamen Nenner: Alle sind mit dem medialen Vorderhirnbündel "verdrahtet", einem Strang, der sich vom Hirnstamm bis zur stirnseitigen Hirnrinde zieht. Er scheint Hirnbereiche zu verbinden, die bei der Depression eine Rolle spielen. "Dieser Euphorie-Schaltkreis ist daher möglicherweise eine interessante Zielstruktur für die Behandlung der Erkrankung", erklärt Prof. Volker Coenen. Der Neurochirurg leitet am Uniklinikum Bonn den Schwerpunkt für Stereotaxie und führt hochpräzise Eingriffe am Gehirn durch, die sogenannte tiefe Hirnstimulation. "Über das mediale Vorderhirnbündel könnten wir eventuell verschiedenste Hirnregionen gleichzeitig stimulieren und so die Symptome einer Depression mildern", hofft Coenen.

Dass eine Stimulation des medialen Vorderhirnbündels für gute Gefühle sorgt, ist schon seit 1954 aus Versuchen mit Ratten bekannt. Die Rolle der Hirnstruktur bei der Verarbeitung von Emotionen beim Menschen wurde aber nie näher untersucht.